Peas in a pod

Polyamorie, Monogamie & Co.

Immer mehr Menschen entfernen sich von der klassischen monogamen Zweierbeziehung und probieren "neue" Beziehungsformen aus. Es scheint als gäbe es in jungen urbanen Kreisen einen Trend zu Mehrfachbeziehungen, man nennt diesen Trend Polyamorie.

Das polyamore Konzept bejaht eine Weltanschauung, in der ein Mensch mit mehreren Personen zur selben Zeit Liebesbeziehungen haben kann. Dabei wird die Vorstellung in Frage gestellt, dass Zweierbeziehungen die einzig erstrebenswerte oder mögliche Form des Zusammenlebens seien. Offene Beziehungen erleben als Polyamorie eine kleine Renaissance. Das Konzept dahinter ist aber alles andere als neu.

"Polyamorie bezeichnet eine Form des Liebeslebens, bei der eine Person mehrere Partner liebt und zu jedem einzelnen eine Liebesbeziehung pflegt, wobei diese Tatsache allen Beteiligten bekannt ist und einvernehmlich gelebt wird."

Wikipedia

Wer liebt, lässt den anderen frei. Diese Philosophie beflügelte schon Ende der 60er Jahre viele linke Intellektuelle. Damit wollten sie das kleinbürgerliche Besitzdenken überwinden, und mehr sexuelle Freiheit geniessen, sie verachteten jede Einschränkung. Damals ginge es um Widerstand, um die Erneuerung der Gesellschaft durch neue Liebesordnungen. Das Freiheitsstreben richtete sich gegen gesellschaftliche Repressionen, gegen konservative, auch religiös geprägte sexualfeindliche Normen wie beispielsweise das Tabu von vorehelichem Sex, viele Anhänger dieser Idee waren männlich.

Heute tritt die gesellschaftskritische Komponente in der Polyamoriebewegung in den Hintergrund. Aber noch immer geht es darum, den Liebesbegriff zu erweitern und die Eifersucht und die damit verbundene Norm zur Zweierbeziehung zu überwinden.

Es ist anzunehmen, dass auch die heutigen Experimente nicht für alle Beteiligten schmerzlos verlaufen werden, aber das tun Beziehungen meist sowieso nicht.

„Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“

Slogan der 68er Bewegung

Inzwischen enden 40% der Ehen in der Schweiz in einer Scheidung. Auch vor diesem Hintergrund öffnen viele Paare ihre Beziehung. Wie damals soll damit die Monogamie überwunden werden, da diese bloss Besitzansprüche fördere. Eifersucht gründet in den Augen der Anhänger:innen der Mehrfachliebe auf überholten Vorstellungen von Liebe.

Momentan wird das Konzept der Polyamorie noch als "Trend" in urbanen Kreisen angesehen. Doch eine von Sotomo publizierte Studie zeigt:

61 % der 18- bis 25-Jährigen sind der Ansicht, dass nicht-monogame Beziehungsformen wie Polyamorie in Zukunft normal und akzeptiert sein werden.

Generationenbarometer 2021 (Sotomo)

Mehr als die Hälfte der jungen Leute ist also heute der Ansicht, dass neue Beziehungsformen ausprobiert werden sollen, dass ihnen sogar die Zukunft gehöre. Dabei soll nicht vergessen werden, dass diese scheinbar "neuen" Konzepte nicht gerade erfunden worden sind und dass sie sich bereits in der Vergangenheit als so anspruchsvoll erwiesen haben, dass sie von vielen wieder aufgegeben worden sind.

Seit 1968 hat sich vieles verändert, Frauen können selbstbestimmt verhüten und die rigiden Sexualnormen sind gelockert worden, allerdings bergen polyamouröse Beziehungen auch heute noch grosse Herausforderungen punkto Geschlechtergerechtigkeit. Denn es ist kein Zufall, wenn öfters Männer im Zentrum solcher Beziehungskonstrukte stehen als Frauen.

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