Endo Illu

Endo, was?

Etwa jede zehnte Frau leidet an Endometriose. Ein Plädoyer um das Eis zu brechen. Und um mehr über Periodenschmerzen zu sprechen.

Endo was?

Endometriose ist die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung in der Schweiz. Dabei siedeln sich gutartige Wucherungen aus gebärmutterschleimhautartigem Gewebe meist in benachbarten Organen und Geweben an, jedoch können diese auch bis in die Lunge vordringen. Endometriose bedeutet nicht einfach Regelschmerzen. Die Gewebewucherungen ausserhalb der Gebärmutter können unglaublich starke Schmerzen und Unfruchtbarkeit auslösen. Eine effektive Therapie gibt es (noch) nicht: Es wird entweder eine hormonelle Behandlung empfohlen, oder eine operative Entfernung der Herde durch eine Bauchspiegelung. Jedoch haben die Hälfte der Frauen fünf Jahre nach dem Eingriff wieder dieselben Beschwerden.

Laut dem aktuellen Frauengesundheitsbericht des Robert-Koch-Instituts leidet eine von zehn Frauen an Endometriose. Ein Vergleich: Endometriose gibt es öfter als Diabetes Typ 2. Und trotzdem bekommen Betroffene oft zu hören: Endo… was? An was leidest du da ganz genau?

«Reiss dich doch einfach zusammen!»

Nicht selten liegt ein Leidensweg von sechs bis neun Jahren vor, bevor es zur Diagnose Endometriose kommt. Viele Frauen leben dennoch mit dieser Krankheit, ohne davon zu wissen. „Periodenschmerz ist normal, beiss einfach auf die Zähne!“ ist immer noch ein vorherrschendes gesellschaftliches Stigma. Den sehr stark leidenden Frauen wird gesagt, sie müssen lernen, mit den Schmerzen zu leben. Studien zeigen, dass eine Frau im Schnitt bis zur Diagnose fünf Ärztinnen oder Ärzte aufsucht – wobei der fünfte Besuch oft einem Psychiater gilt. «Ihr habt nix, ihr spinnt einfach», solche Sprüche bekamen Patientinnen von Endometiroseexperte Patrick Imesch häufig zu hören.

Fassen wir also mal zusammen: Ursache Endometriose – unklar. Diagnose – gestellt nach mehreren Jahren, wenn überhaupt. Heilungschance – 0 Prozent. Und das normale Leben für Betroffene – nahezu unmöglich.

Für diese Frauen ist es völlig normal, dass sie jeden Monat ein halbes Päckchen Ibuprofen schlucken. Aber das ist nicht normal.

Patrick Imesch, Endometriose-Spezialist, Tagesanzeiger 25.9.2021

Gender Gap in der Medizin

Warum sich bei manchen Frauen die Schleimhaut aus der Gebärmutter innerhalb des Becken und Bauchraumes ansiedelt, ist ungeklärt. Doch wo bleibt die Forschung zu Endometriose? Warum forscht die Medizin nicht an einer effektiven Therapie? Obwohl viele nicht wissen was Endiometrose ist, handelt es sich um eine Krankheit, die bereits seit gut hundert Jahren in der modernen Medizin einen Namen trägt. Trotzdem findet sie immer noch kaum Beachtung. Wie ist das bloss möglich?

Meiner Meinung nach ist Endometriose ein Beispiel, das systematisch zeigt, wie unsere Gesellschaft mit geschlechtsspezifischen Erkrankungen umgeht. Seit über 30 Jahren gibt es den Tag der Frauengesundheit, und trotzdem gilt in unserem Gesundheitssystem alles männliche als Norm. Studiert wird bis heute vor allem der Männerkörper, Studien zu neuen Medikamenten werden immer noch vorwiegend an Männern durchgeführt. «Das führte dazu, dass Krankheiten, von denen ausschliesslich biologische Frauen betroffen sind, lange Zeit nicht beachtet wurden», sagt Imesch. Nicht umsonst heisst Endometriose im Fachjargon auch forgotten disease, vergessene Krankheit. Hoffnung gibt es mit neuen Lehrstühlen wie der für Gendermedizin an der ETH Zürich.

Tabuthema Endometriose

Als Betroffene finde ich es wichtig, dass man über Endometriose redet. Vielleicht kommen Ihnen selber gerade Menschen aus Ihrem Umfeld in den Sinn. Sprechen Sie diese an. Endometriose Betroffene leben mit den Schmerzen und den Beschwerden meist im Stillen, isoliert und alleine. Es braucht mehr Aufklärungsarbeit, Verständnis vom Umfeld und zu guter Letzt: Mehr Forschung. Starke Periodenschmerzen sind nicht die Norm!

Lena Schibli ist Mitglied der Redaktion Geschlechtergerechter. Sie studiert in Basel Geschichte.