Ehe Bild: Stillhart

Stichwort:
Ehe

Die «Ehe für alle» wurde von allen Kantonen angenommen, dennoch bleibt bei mir ein kleines Unbehagen bei diesem Thema.

Zugegeben, mir wird es beim Wort Ehe immer etwas mulmig. Ich leide nicht unter Bindungsangst, aber der Begriff Ehe hat für mich etwas Bedrohliches. Ich möchte versuchen zu erklären, warum das bei mir so ist.

Die Ehe als Sakrament wurde von der Kirche im Mittelalter eingeführt. Das machte damals Sinn, denn früher konnte die Vaterschaft noch nicht sicher festgestellt werden. Da ist es verständlich, dass Beziehungen mit einer Ehe geregelt wurden. Rund um die Ehe gab es aber rasch ganz viele Regeln. In der Ehe waren Seitensprünge sanktioniert, es gab Strafen oder Bussen dafür, jedenfalls gibt es in unseren Archiven noch meterlange Aktenregale mit Prozessakten gegen Ehebrecherinnen (Ehebrecher wurden seltener belangt). In früheren Jahrhunderten war die Ehe tatsächlich meist lebenslänglich, weil die Menschen früher starben, die Männer im Krieg, die Frauen eher im Kindbett. Es wurde überhaupt etwas übertrieben mit dieser Ehe. Sie wurde zum einzigen Ort, an dem Sexualität erlaubt war, aussereheliche Kinder wurden schlecht behandelt, und die eheliche Liebe wurde mit Moral geradezu ertränkt.

«Süßer Herr, wenn du mir keine andere Gnade erwiesen hättest, als die, dass du nicht erlaubt hast, dass ich in der Knechtschaft und Unterwerfung durch einen Mann lebe, so hast du mir schon genug getan.»

Marguerite d'Oingt, Karthäuserin (Nonne) 1240-1310

Die Ehe war immer auch ein Instrument zur Unterdrückung der Frauen, Ehefrauen hatten weniger Rechte als Ehemänner. Bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein konnte eine Frau ohne das Einverständnis ihres Mannes kein Bankkonto eröffnen, keine teuren Anschaffungen machen und keine Stelle antreten. Sie musste ihm ihren Verdienst abgeben und sie war erblich benachteiligt. Der Mann hatte das Recht, die Ehe zu vollziehen, ja selbst Vergewaltigung in der Ehe war bis 1992 nicht strafbar. Da ist es ja wohl nicht übertrieben, die Ehe als eine zutiefst patriarchale Institution zu sehen. Ich frage mich einfach, warum jetzt plötzlich alle so unbedingt heiraten wollen.

Zivilstandsamt der Stadt Chur

Als es darum ging die «Ehe für alle» toll zu finden, blieb es in mir seltsam still. Ich bin ein liberaler Mensch, also habe ich nichts dagegen, wenn andere heiraten wollen, egal ob sie nun hetero- oder homosexuell sind, natürlich stimmte ich ja, aber es gelang mir nicht, in der Ehe für alle einen Fortschritt zu sehen. Die Kinderfrage hätte man auch in der eingetragenen Partnerschaft regeln können.

Eingetragene Partnerschaft als Chance

Hand aufs Herz, das ist doch ein spannender neuer Zivilstand. Die Franzosen nennen die eingetragene Partnerschaft Pacte de Solidarité oder le PACS. Es ist quasi eine aussereheliche Vereinbarung zweier Menschen miteinander. Das klingt doch modern! Interessanterweise ist der PACS in Frankreich nicht auf gleichgeschlechtliche Personen beschränkt wie bei uns, er wird sogar bei heterosexuellen Paaren immer beliebter, denn mit dem PACS fällt die ganze historische Schwere der Ehe ab. Zwei Menschen sind einander emotional verbunden, und mit dem PACS können sie diese Bindung auch juristisch fair regeln.

Bei uns geht das nicht. Wer wie ich in einer eingetragenen Partnerschaft lebt und dies in einem Visumsformular angeben muss, outet sich damit quasi automatisch als homosexuell, denn eingetragene Partnerschaften gibt es in der Schweiz nur für gleichgeschlechtliche Paare. Darum mein Wunsch: Öffnet die eingetragene Partnerschaft auch für heterosexuelle Paare und lasst die Menschen wählen.

P.S.: Es wäre gut, wenn man dabei auch gleich die Kinderfrage regeln könnte.

Lynn Blattmann ist Mitglied der Redaktion #geschlechtergerechter