Work and society

Home Office

Erleichtert das Arbeiten zuhause die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen? Oder ist das Homeoffice eine Falle für die Gleichstellung? Ursula Häfliger, die Geschäftsführerin von der plattform erklärt, warum Homeoffice nicht nur Vorteile bringt, und warum es kein reines Frauenthema ist.

Jahrelang galt die Binsenweisheit, dass flexible Arbeitsformen unabdingbar sind für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und somit gut sind für die Gleichstellung von Frauen im Arbeitsmarkt. Die Schweiz ist ein Teilzeitfrauenland geworden. Lange wurde das Arbeiten im Homeoffice mit Skepsis betrachtet und selten gewährt. Bei Frauen noch weniger, da sie sowieso nur Teilzeit im Büro waren.

Dann kam die Pandemie und es hiess «alle ab ins Homeoffice». Mehr als zwei Jahre später haben viele Firmen praktisch alle Varianten des flexiblen Arbeitens ausprobieren müssen. Die Frage, die sich Unternehmen und Angestellten jetzt stellt, ist: Wie sieht das Arbeiten in Zukunft aus? Der Wunsch nach Homeoffice auch im Regelbetrieb, ist gemäss zahlreicher Umfragen zumindest seitens der Arbeitnehmenden mit höheren Pensen da. Auch viele Unternehmen konnten sich seither mit der Idee anfreunden und die Büroflächen werden aktuell munter verkleinert. Aber wer möchte eigentlich weiterhin im Homeoffice arbeiten und welche Auswirkungen hat dieses Arbeitsmodell auf die Arbeitskultur, Karriere und Vereinbarkeit?

«Wenn nur jüngere weisse Männer und ihre Chefs im Büro anzutreffen sind, besteht die Gefahr, dass diese auch eher bei Projekten, Aufstiegsmöglichkeiten und Weiterbildungen berücksichtigt werden.»

Ursula Häfliger

Gemäss einer aktuellen Studie bei Leuten in Bürotätigkeiten wollen besonders Frauen, ältere Arbeitnehmende, ethnische Minderheiten sowie generell Leute mit Betreuungspflichten auch künftig mehr im Homeoffice arbeiten. Ja, sie sind sogar bereit, falls nötig, dafür die Stelle zu wechseln. Im Homeoffice zu arbeiten kann aber auch negative Folgen für die Karriere haben, denn wer gesehen wird, wird eher befördert. Man nennt das auch «Proximity Bias».

Wer da ist, wird gesehen und befördert

Wenn also nur noch jüngere weisse Männer – und ihre Vorgesetzten – regelmässig im Büro anzutreffen sind, besteht die Gefahr, dass diese auch eher bei Projekten, Weiterbildungen und Aufstiegsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Diese Überlegungen sind sowohl für Angestellte als auch für Arbeitgeber:innen relevant. Wer mehr Diversität auf allen Stufen im Unternehmen anstrebt, muss das berücksichtigen. Das fordert ein Umdenken in der Unternehmenskultur und eine neue Form der Führung und Förderung von Mitarbeitenden. Vorgesetzte haben dabei auch eine wichtige Vorbildfunktion.

Was Arbeitgeber:innen tun sollten

Wichtig ist, dass auch die Chef:innen dafür sensibilisiert werden, dass die Büropräsenz nicht das Mass aller Dinge ist. Mitarbeitende sollen im Unternehmen so effektiv wie möglich eingesetzt werden. Das bedeutet, dass diese den Arbeitsort so wählen sollen wie dies für ihre Tätigkeit wichtig ist. Mittlerweile haben alle gemerkt, dass die Fahrt ins Büro für viele Tätigkeiten nicht notwendig ist, oder sogar eher hinderlich sein kann. Es ist daher auch im Interesse der Unternehmen, die Arbeitsproduktivität durch Vermeidung von Präsentismus – on- und offline – zu fördern.

Dieser Wandel findet aber nicht von heute auf morgen statt, denn damit dieser Wandel geschlechtergerecht vorangeht, müssen beide Seiten umlernen. Den Angestellten muss bewusst sein, dass die Beziehungspflege auch im Beruf ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, und dass sie auch ganz bewusst Zeit dafür investieren. Kompetent und zuverlässig zu sein ist nur die halbe Miete.

«Arbeitgeber müssen jetzt verstehen, dass Care Arbeit für Männer ebenso wichtig sein kann und muss».

Ursula Häfliger

Home Office als Chance für Männer, endlich mehr Care Arbeit zu übernehmen

Wenn mehr Männer zuhause arbeiten, sind sie auch mehr verfügbar für Care Arbeit. Dies ist eine Chance, das müssen die Frauen, aber auch die die Unternehmen verstehen.

Beim Glass Ceiling Index (Economist), der weltweit analysiert, wie weit Frauen im Beruf kommen, besetzt die Schweiz innerhalb der OECD seit Jahren den viertletzten Platz. Hinter ihr kommen nur noch Länder, in denen sich Frauen strikt zwischen Familie und Erwerbsleben entscheiden müssen (Türkei, Japan und Südkorea). Es gibt also einen direkten Zusammenhang zwischen Präsenz am Arbeitsmarkt und Erfolgsmöglichkeiten im Beruf.

Der aktuelle Trend zu mehr Homeoffice kann die strikte Trennung zwischen Berufs- und Familienarbeit etwas aufweichen, aber nur, wenn dieser Wechsel auf allen Ebenen mit dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit durchgeführt werden, wenn das Homeoffice dazu dient, die familien- und schulergänzende Betreuung aus Kostengründen zu minimieren, kann sich dieser Cocktail aus entgrenzter Berufs- und Familienarbeit für die Gleichstellung kontraproduktiv auswirken

Flexibles Arbeiten hilft insofern nur, wenn Männer auch einen Teil der «Care Arbeit» übernehmen und ihr Pensum reduzieren oder regelmässig von zu Hause arbeiten, um z.B. die Kinder rechtzeitig vom Hort zu holen oder bei den betreuungsbedürftigen Eltern vorbeizuschauen. Frauenkarrieren hilft es indirekt, indem sie wieder mehr in ihre Karriere investieren können. Im und ausserhalb des Büros.

Plattform logo visual

die plattform«For a strong Swiss workforce»

Die plattform ist die politische Allianz unabhängiger und lösungsorientierter Angestellten- und Berufsverbände.

die plattform

Mit über 88'000 Mitgliedern agiert die plattform im Interesse der Dienstleistungsberufe, in denen derzeit 80 Prozent der Erwerbstätigen tätig sind (Tendenz steigend) sowie der Wissensberufe, der am stärksten wachsenden Gruppe von Berufsleuten in der Schweiz. Sie arbeitet an innovativen Lösungen in bildungs-, sozial- und wirtschaftspolitischen Dossiers. Denn nur so können Erwerbstätige befähigt werden, ein erfülltes Berufsleben zu gestalten und ihr Potenzial über den gesamten beruflichen Werdegang hinweg zu entfalten. Starke und selbstbewusste Berufsleute sind der Grundstein für eine moderne und offene Gesellschaft.

Ursula Häfliger ist Geschäftsführerin der plattform und Verantwortliche Politik beim kaufmännischen Verband Schweiz.