Frau am Gasherd beim Kochen, ca. 1939 © Landesmuseum

Auslaufmodell Hausfrau

Hausfrauenarbeit ist unbezahlte Care-Arbeit. Die Schweizer Hausfrau galt einst als Ideal, heute wird sie weniger anerkannt, gar entwertet.
Frau am Gasherd beim Kochen, ca. 1939

«Hausfrau sein, das ist ein Vollzeitjob und was für einer!»

Unzählige Mal hörte ich diesen Satz von meiner Grossmutter in meiner Kindheit. Meine Mutter, alleinerziehend und dazu noch unglaublich jung, war auf die Unterstützung meiner Grossmutter angewiesen. Mein «Nani» war es, die nach ihren Nachtschichten im Spital immer für mich und meine Schwester gesorgt hat. Sie hat uns Abendessen gekocht, hat geschaut, dass wir die Zähne putzten, sie hat unseren Znüni für den nächsten Tag vorbereitet und uns Gutenachtgeschichten vorgelesen. Während wir schliefen, putzte sie die ganze Wohnung.

So sah die Arbeit einer Hausfrau aus und meine Grossmutter war ausgebildete Hausfrau! Für junge Leute heutzutage unvorstellbar.

Das Hausfrauenideal

Das Jahr 1968 verbinden viele mit Jugendrevolte und Strassenkrawallen. Nicht so meine Grossmutter: Sie besuchte in diesem Jahr ein Haushaltsinternat in Interlaken. Sie nennt es heute Lebensschule. Diese war Voraussetzung, um ihre Ausbildung zur Krankenschwester anzufangen.

Während Gleichaltrige in den Städten demonstrierten, lernte meine Grossmutter korrekt Hemden bügeln, wie man das beste Gulasch kocht und richtig Gäste empfängt. Säuglingslehre, hauswirtschaftliche Buchhaltung, Stenografie und Anstandslehre stand auf dem Tagesprogramm. Meine Grossmutter wuchs mit dem Rollenbild der idealen Schweizer Hausfrau auf: Sparsam, fleissig und stets bemüht um das Wohl ihrer Kinder und ihres Gatten. Die Schweiz war auf diesem Gebiet Rekordhalter, nach dem zweiten Weltkrieg gab es in Europa nirgends so viele Hausfrauen wie in der Schweiz.

Die Entwertung der Hausfrau

Heute ist alles anders. Seit 1968 hat sich punkto Gleichstellung der Frau viel verändert, die Rollenbilder und Familienmodelle entwickelten sich weiter, privat und auch gesellschaftlich. Doch Hausarbeit gibt es logischerweise immer noch zu erledigen.

Heute wird in politischen Debatten aber nicht mehr von «Haufrauenarbeit» gesprochen, sondern von «unbezahlter Care-Arbeit».

Hausarbeit ist privat, unsichtbar und nicht sozialversichert. Sie gilt nicht als richtige Arbeit. Die Entwertung findet aber auch durch die Frauen selber statt, meint meine Grossmutter. Hausfrau sein sei der schwierigste, aber auch der beste Job, wieso soll sich Frau dafür schämen?

«Den Beruf Hausfrau kann man gar nicht bezahlen, das ist ein 24 Stunden-Job und zwar 365 Tage im Jahr»

In der Politik gibt es schon seit Jahrzehnten Debatten, ob unbezahlte Care-Arbeit entlohnt werden soll, oder eben nicht. Denn nach Schätzungen des Bundesamtes für Statistik wird in der Schweiz unbezahlte Haus- und Familienarbeit im Wert von rund 100 Milliarden Franken geleistet.

Nach dem Gespräch mit meiner Grossmutter habe ich mehr Fragen als vorher: Hat die klassische Hausfrau keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft? Und welche neuen Strukturen braucht die Schweiz, um Kindererziehung und Beruf zu vereinbaren? Wieso gab es in der Schweiz überhaupt so viele Hausfrauen und wie kam es zur «Entwertung»?

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Lena Schibli ist Mitglied der Redaktion Geschlechtergerechter. Sie studiert in Basel Geschichte.