Radikale Zärtlichkeit

Warum Liebe politisch ist

Şeyda Kurt hinterfragt, analysiert und kritisiert in ihrem Buch "Radikale Zärtlichkeit- Warum Liebe politisch ist" unsere allzu vertrauten Liebesnormen. Sie leitet her, welche Rolle der Kapitalismus, das Patriarchat oder Rassismus in unseren klassischen Beziehungsmodellen spielt. Dabei fordert Kurt vor allem eines: Mehr (radikale) Zärtlichkeit!

Was ist eigentlich Liebe? Ist die Liebe wirklich Sinn des Lebens, ganz nach dem Motto «All you need is love»? Ist die Liebe das glückliche Ende einer Suche, ist das Ziel mit einer romantischen, monogamen Beziehung erreicht?

Şeyda Kurt sieht dies anders: Für sie sind Liebe und Paarbeziehungen grotesk überladen. In ihrem Buch "Radikale Zärtlichkeit - warum Liebe politisch ist" beschreibt Kurt Liebe als unpräzise Worthülse und sucht nach Alternativen.

Was für die Autorin mit einem Gefühl des Unwohlseins beginnt, verwandelt sich für die Leser:innen in ein Buch voller Denkanstösse für neue Facetten zur Liebe, die es zu entdecken gilt. Kurt argumentiert klar, wieso sie den Begriff "Liebe" nicht gut gewählt findet, da er aus gesellschaftlichen Konstrukten wie patriarchalen und rassistischen Strukturen erwachsen ist. Sie plädiert stattdessen für den Begriff "Zärtlichkeit" - und möchte ihn nicht nur auf die romantische Partnerschaft, sondern auch auf Freundschaften ausweiten. Şeyda Kurt fordert die Leserinnen und Leser in ihrem Buch deshalb heraus, den Begriff Liebe als solchen zu hinterfragen, um so neue Konzepte von Intimität zuzulassen.

Şeyda Kurt: Können wir denn überhaupt die Aussage treffen, dass Liebe Arbeit ist?

"Karl Marx": Haben Sie denn keine anderen Probleme?!

Stilistisch nutzt ihr Buch unterschiedliche Formen. Es gibt etwa ein fiktives Streitgespräch mit Karl Marx oder einen Mailverlauf mit der feministischen Philosophin Silvia Federici, in dem es darum geht, ob Liebe in einer postkapitalistischen Gesellschaft überhaupt noch existieren kann (ihre erwartbare Antwort: ja, aber anders). Ausserdem gibt Kurt in einem "Alphabet der Zärtlichkeit" Handlungsempfehlungen. Etwa unter F wie Faulheit: Der Wert meines Gegenübers misst sich nicht an seinem beruflichen Erfolg. Oder unter G wie glauben: "Ich glaube dir. Punkt".

Dieses Buch wird weder Beziehungstipps liefern noch einfache Lösungen. Nach Kurt müssen wir alle mit diesem Unbehagen leben und es als Denkanstoss sehen. Denn viel zu selten sprechen wir darüber, wie unser Miteinander anders sein könnte. Vielleicht weil wir zu oft davon ausgehen, dass das Verständnis dafür, etwa für das Phänomen der Liebe und Freundschaft, in uns eingepflanzt ist und nicht zur Neuverhandlung steht.

Kurt will Unordnung stiften. Oder zumindest die alte Ordnung durcheinanderbringen.