Marlene Halter ist Chefköchin und Inhaberin vom Restaurant Metzg in Zürich Marlene Halter, Metzg

«Als Mädchen wollte ich Bauer oder Dirigent werden»

Marlene Halter ist Inhaberin und Chefköchin vom Restaurant Metzg, hat sich das Metzgerhandwerk selbst beigebracht und findet Auszeichnungen wie «Best Female Chef» völlig schwachsinnig. Ein Interview über die Selbstverständlichkeit, als Frau einem typischen Männerberuf nachzugehen.

Marlene, Grillieren ist Männersache. Siehst du das auch so?

(lacht) Ich bin tatsächlich so aufgewachsen. Mein Vater hat nie gekocht und kann es auch nicht – höchstens mal ein Spiegelei. Aber wenn wir den Grill angeschmissen haben, dann hat er das gemacht. Ich glaube, dass diese Rollenverteilung auch in anderen Familien immer noch die Regel ist. Aber nicht, weil es Frauen weniger interessiert. Sondern weil wir einfach so sozialisiert werden. Es ist eine Tradition, die wir aber durchbrechen können.

Du hast genau das getan. Als Inhaberin und Küchenchefin vom Restaurant Metzg in Zürich brennt dein Herz für die Fleischverarbeitung und -zubereitung. Woher kommt die Liebe zum Fleisch?

Das weiss ich gar nicht so genau. Aber in der Kochausbildung habe ich relativ viel mit Fleisch zu tun gehabt und gemerkt, dass ich sehr gerne damit arbeite. Insbesondere das Ausbeinen und Kochen machen mir Spass. Es fasziniert mich, wie sich das Fleisch verwandelt bei den verschiedenen Garprozessen. Und ich habe sehr gerne Tiere. Es interessiert mich, woher die Tiere kommen, wie sie aufwachsen. Dass ich das Fleisch dann sorgsam handhabe und zubereite, ist für mich ein logischer Zusammenhang.

Die Vorstellung, dass man beim Metzgen sehr viel Körperkraft braucht, ist veraltet.

Marlene Halter, Inhaberin und Küchenchefin Metzg

Was bereitet dir an der Fleischverarbeitung am meisten Freude?

Wenn ich ein ganzes Tier auseinandernehmen kann, beispielsweise ein Reh. Das ist immer ein Highlight.

Ein Reh ist relativ grazil. Eine Kuh hingegen nicht. Wie viel Kraft braucht es, um ein Tier zu zerlegen?

Man braucht eine gewisse physische Robustheit. Aber die Vorstellung, dass man beim Metzgen sehr viel Körperkraft braucht, ist veraltet. Es schadet sicherlich nicht und kann einem zu Gute kommen. Aber wie in vielen Berufen gibt es heute technische Hilfsmittel. Es muss niemand eine ganze Kuh von Hand auf dem Zerlegetisch wenden. Dafür gibt es Vorrichtungen.

Und beim Kochen?

Es braucht sicherlich sowohl beim Metzgen wie auch beim Kochen eine gute Konstitution. Man steht viele Stunden am Tag und arbeitet mit den Händen. Daneben braucht es für beide Tätigkeiten handwerkliches Geschick. Und ein bisschen Köpfchen schadet nie. In der Küche braucht es zudem auch eine grosse Portion Sozialkompetenz und ein wenig Stressresistenz, da wir den ganzen Tag auf engstem Raum zusammenarbeiten.

Das ist sicher nicht immer ganz einfach. Was für eine Chefin möchtest du deinen rund elf Mitarbeitenden sein?

(überlegt). Eine strenge (lacht). Ich versuche, unterstützend und fördernd zu sein, gut zu kommunizieren und klare Anweisungen zu geben. Meine Erfahrung ist, dass es in einer Küche eine relativ starke Führung braucht. Selbstverständlich versuche ich auch, stets ein offenes Ohr zu haben für Zwischen- und Misstöne.

Wenn wir schon bei Misstönen sind: Wie reagierst du, wenn dich jemand «Fräulein» nennt?

Das passiert mir gar nicht. Aber sicher: Sexismus ist leider eine Realität in der Gastrobranche. Ich habe mir meine Arbeitgeber immer sehr bewusst ausgesucht und eher in untypischen Betrieben gearbeitet. In Küchen mit mehr Männern sind schon ab und zu Sprüche gefallen. Die waren aber nie unter der Gürtellinie, und ich kann auch gut zurückgeben.

Dein Frausein wird dir also nicht um die Ohren gehauen?

Ich bewege mich zwar tatsächlich in einem typischen Männerberuf. Persönlich spürte ich das aber kaum, es fällt mir gar nicht auf. Ich musste nicht für meine Position als Frau in einem Männerberuf kämpfen.

Was hältst du von Auszeichnungen wie «Best Female Chef»?

Das finde ich einen riesigen Schwachsinn. Das ist doch erst recht diskriminierend, wenn man die Frauen rausstellt als etwas Exotisches. Weshalb soll die Messlatte für Frauen beim Kochen anders gesetzt werden als bei Männern? Es ist ja nicht wie beim Skifahren, wo die Anatomie eine Rolle spielt.

Ich bewege mich zwar tatsächlich in einem typischen Männerberuf. Persönlich fällt mir das aber gar nicht auf.

Marlene Halter, Inhaberin und Küchenchefin Metzg

Du hast Germanistik studiert und erst mit 30 Jahren deine Ausbildung zur Köchin angefangen. Wie kam es dazu?

Das war wegen einer Krankheit. Ich arbeitete während meines Studiums viel journalistisch und träumte davon, Theaterkritikerin bei der NZZ zu werden. Als ich krank wurde, konnte ich nicht mehr lesen und schreiben. Das mit dem Kochen sollte nur eine Zwischenstation werden. Dann hat es mir aber so gut gefallen, dass ich die Ausbildung gemacht habe. Und so bin ich beim Kochen hängengeblieben.

Wolltest du bereits als junges Mädchen Theaterkritikerin in der NZZ werden?

Nein, als Mädchen wollte ich Bauer werden oder Dirigent. Und zwar tatsächlich Bauer. Ich wollte nämlich nicht als Bäuerin in der Küche stehen, sondern eben als Bauer im Stall arbeiten und auf dem Traktor sitzen.

Die Liebe zum Tier und zur Natur begleitet dich also schon dein ganzes Leben?

Ja.

Was heisst geschlechtergerechter für dich?

Chancengleichheit. Und Unterstützung für Schwächere sowie Menschen, die sich etwas nicht zutrauen. Dafür braucht es aber noch viel Aufklärung und Vorbilder.

Du bist ein solches Vorbild. Welchen Tipp gibst du einem jungen Menschen mit auf den Weg, der eine Koch- oder Metzgerausbildung machen will?

Das tönt jetzt vielleicht kitschig, aber ich würde sage: Höre auf dein Bedürfnis und verfolge deine Träume. Such dir Leute, die dich unterstützen und «go for it».

  • Restaurant Metzg
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    Fleisch als Leidenschaft: In der Metzg kommt ausschliesslich qualitativ hochwertiges Fleisch aus der Schweiz auf den Tisch.

  • Restaurant Metzg draussen
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    Ohne viel Trara: Die Gerichte von Marlene Halter sind frisch und auf den Punkt zubereitet.

Marlene Halter ist Inhaberin und Küchenchefin der Metzg an der Zürcher Langstrasse. Die Metzg ist Restaurant und Spezialitätenmetzgerei in einem. Über den Tresen geht ausschliesslich qualitativ hochwertiges Fleisch aus der Schweiz, zubereitet auf den Punkt. Ohne viel Trara, dafür frisch und bekömmlich.

Ihre Ausbildung absolvierte Marlene Halter im Restaurant Alpenrose unter der Leitung von Tine Giacobbo und Katharina Sinniger. Danach folgten Stationen im Italia, der Wirtschaft Ziegelhütte, im Rosso und in New York.