Für Mikael Krogerus ist das Kinderhaben ein Abenteuer, er nennt es das «Elterwerden». Auf dieser Safari gibt es tragische, aber auch lustige Momente. Krogerus bringt das im Vorwort so auf den Punkt: «Vom Glück des Elternseins. Und vom Schock. Und von allem dazwischen.» Das Buch liest sich wie eine Serie von Kolumnen, die wie Kurzgeschichten einzeln gelesen werden können. Inspiriert wurde Krogerus sicherlich von seinen eigenen Kindern, denen er das Buch gewidmet hat.
Das Überleben der ersten Jahre
Die ersten Jahre bezeichnet er als «Die Zombie-Jahre», sie sind geprägt von ganz viel Schlaflosigkeit, der Nahrungseinnahme des Kindes, dem Wickeln, und von ganz vielen Selbstzweifeln und Selbstbeschämung. Das Wichtigste in dieser Zeit ist für den Autor das schiere «Überleben», auch wenn diese Zeit im Nachhinein oft nur halb so schlimm erscheint, weil man einfach vergisst wie es wirklich war.
Krogerus beschreibt das Elternsein als «ein tägliches Scheitern», auf welches man nicht vorbereitet wurde. Werdende Eltern sind per se unvorbereitet auf das Leben mit Kindern, welches alles bisher Dagewesene auf den Kopf stellt. Der Autor vergleicht es mit einem Sprung ins kalte Wasser: Schock und Glück liegen hier sehr nah beieinander und resultieren aus einer grossen Überforderung und einem Gefühl der Unzulänglichkeit.
Es gilt Feminismus und Erziehung miteinander zu vereinen
Das wichtigste Kapitel ist meiner Meinung nach jenes, in welchem Krogerus der Frage «Wie erziehe ich meinen Sohn feministisch?» nachgeht. Der Autor denkt reflektiert darüber nach, inwiefern eine feministische Lebensweise einen Impact auf andere und auf die eigene Lebensweise hat und kommt zum Schluss, dass eine feministische Lebensweise sich dadurch auszeichnet, einen sorgsamen und rücksichtsvollen Umgang mit anderen Menschen zu pflegen und mit sich selbst. Feministische Erziehung gelingt, wenn Väter ihren Kindern einen respektvollen Umgang mit Frauen auf Augenhöhe vorleben. Krogerus plädiert dafür die eigene Lebensgeschichte nicht als Erfolgsgeschichte zu erzählen. Unsicherheit, Scheitern, Verzweiflung miterzählen, denn auch das gehört zum Leben.
Die Rolle der Väter
Der Autor hält fest, dass es an der Zeit ist, die Jungs feministisch zu erziehen, um eine neue Gesellschaft zu schaffen. Er zitiert dazu Gloria Steinem: «Ich bin froh, dass wir begonnen haben, unsere Töchter feministisch zu erziehen – aber es wird nicht funktionieren, solange wir unsere Söhne nicht mehr wie unsere Töchter erziehen.» Krogerus nimmt die Väter in die Pflicht ihre Jungs anders zu erziehen, ihnen andere Werte vorzuleben und nicht mehr an den uralten Männlichkeitsidealen festzuhalten. Feministisch sein ist nicht nur gerechter, sondern auch gesünder. In meinen Augen handelt es sich hierbei um das wichtigste Kapitel, weil wir eine Veränderung nur gemeinsam mit allen schaffen können. Dafür braucht es insbesondere kritische Väter und feministische Jungs.
Tagesschulen: Die Basis für mehr Gleichstellung
Krogerus ist Finne, geboren wurde er in Stockholm, studiert hat er in Dänemark. Dies spürt man bei der Lektüre, etwa wenn er kritisiert, dass es in der Schweiz keine Tagesschulen gibt, was voraussetzt, dass am Mittag ein Elternteil zuhause sein muss und damit die Erwerbsarbeit von beiden Elternteilen erschwert oder verunmöglicht. Seine Sicht auf die Gleichstellung in der Schweiz, die im Vergleich zu Skandinavien stark hinterherhinkt, ist erfrischend ehrlich und reflektiert und führt vor Augen, wie stark noch immer am Konzept der bürgerlichen Kleinfamilie festgehalten wird. Ich wünsche mir, dass mehr Männer über diese Themen nachdenken, sprechen und sich engagieren, so wie Krogerus das tut. Übrigens hat Krogerus die negativsten Reaktionen ausgerechnet zu diesem Kapitel erhalten. Warum wohl?
Ein humorvolles, kritisches und kluges Buch – auch für Menschen ohne Kinder ein Gewinn und natürlich insbesondere für Männer ein absolutes Muss!
Über den Autor
Krogerus arbeitet als Redaktor beim Das Magazin. Seine journalistischen Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Gemeinsam mit Roman Tschäppeler hat er eine Reihe von internationalen Bestsellern veröffentlicht. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Basel.
Laura Schwab ist Teil der Redaktion von Geschlechtergerechter.