Fondue Inklusive Sprache – Blog

Zumutung aushalten

Affektive Polarisierung geschieht dann, wenn wir in anderen nur noch Idioten sehen. Toleranz ist etwas anderes.

"Chli stinke mueses", das ist nicht nur der Slogan der aktuellsten Fonduewerbung, er gilt ebenso für die Toleranz. Toleranz ist ebenso wichtig für die Schweiz wie Fondue und beides ist nicht ganz einfach zu haben.

Auch das Schweizer Establishment hat nach 1848 erst lernen müssen, dass es Sinn macht, auch Andersdenkende an ihrer Demokratie teilhaben zu lassen. Es tat dies zögerlich und erst, wenn es nicht mehr anders ging, aber die Freisinnigen liessen vierzig Jahre nach der Bundesstaatsgründung dann doch den ersten Katholisch-Konservativen in den Bundesrat und dreissig Jahre später den ersten Sozialdemokraten.

Nur mit den Frauen taten sich die Schweizer so richtig schwer. Aber 1971 liessen sich die Männer erweichen und gestatteten den Frauen den Zutritt ins Bundeshaus. Dass die Toleranz in einem der dichtbesiedeltsten Ländern Europas so wichtig ist, leuchtet ein, aber der Stellenwert der Grosszügigkeit gegenüber Andersdenkenden und vorallem Andersredenden und Andershandelnden ist auch deshalb so gross, weil wir diese für unsere Demokratie brauchen und das gilt heute mehr denn je.

Wir müssen nämlich miteinander reden können und zwar auch wenn wir einander nicht mögen und auch wenn wir finden, dass der oder die Andere Haltungen vertritt, die wir als Zumutung bezeichnen. Dies ist nicht einfach, aber lohnenswert.

"Toleranz führt zu Entpolarisierung."

Toleranz ist mehr als "Laissez-faire", Toleranz entsteht durch Reibung, durch Auseinandersetzung, durch faires Diskutieren, durch Überzeugungsarbeit und sie führt zu einer Entpolarisierung. Sie ist nämlich meist der erste Schritt für eine Lösung. Und in der Schweiz wissen wir nur zu gut, dass um solche Lösungen hart gerungen werden muss und dass sie jeweils von keiner Seite als Siege abgebucht werden können, sondern dass es sich meist um Kompromisse handelt.

Obwohl bekanntlich niemand Kompromisse wirklich mag, sind wir mit ihnen bisher recht gut gefahren. Vielleicht sind wir etwas langsam voran gekommen, aber dafür haben wir uns auch einige schmerzhafte Umwege erspart.

Dies ist in den vergangenen zwanzig Jahren etwas vergessen gegangen. Plötzlich war auch hier Populismus angesagt und holzschnittartiges Schwarz-Weiss. Diese Polarisierung wurde von verschiedenen Seiten geschürt. Dieser Trend ist nicht zukunftsfähig wenig frauenfreundlich und er schadet unserem Land, denn er passt nicht zu unserer DNA. Es ist Zeit, dass wir einen anderen Weg einschlagen.

Wir von Geschlechtergerechter sind angetreten für einen breiten von aktiver Toleranz geprägten Diskurs. Die Welt ist komplizierter geworden, anspruchsvoller und reicher an Möglichkeiten. Die die Zeit der grossen Ideologien ist vorbei. Um tragfähige Lösungen zu finden für die anstehenden Probleme braucht es uns alle.

Auch wenn der Aushandelungsprozess mühsam ist und niemanden begeistert, wir müssen dranbleiben, verhandeln, debattieren, zuhören, Ideen einbringen. Auch wenn wir wissen, dass es nicht zu grossen Würfen kommen wird. Oft sind es tatsächlich die kleinen Schritte, die uns wirklich vorwärts bringen. Toleranz ist das was uns hilft ausserhalb der eigenen heimeligen Bubble zu überleben, sie macht es möglich, andere Sichtweisen zu erkunden, ohne sich dabei zu verlieren. Sie macht unser Leben spannender, weil sie uns hilft, Zumutungen auszuhalten und andere Standpunkte besser zu verstehen.

Die Welt muss geschlechtergerechter werden, also auch männergerechter, mädchengerechter und auch offener für alle, die sich nicht in erster Linie als Frauen oder Männer verstehen wollen, also für "mich und dich", wie es in der Coop Werbung so schön heisst.