Sich keine Gedanken zu machen über Themen wie Kinderkriegen, Familiengründung und im Haushalt tätig sein zu müssen, kann als Freiheit für junge Frauen in der Schweiz betrachtet werden. Doch was passiert, wenn das Bedürfnis nach diesen «traditionellen» Rollen doch plötzlich aufkommt? Was, wenn einem die Vorstellung, ein eigenes Kind zu haben, plötzlich mit grosser Vorfreude erfüllt? Die Entscheidung ist nicht leicht.
Der Wunsch, Kinder zu bekommen und gerne den Haushalt zu führen, fühlt sich in meinem linken, aufgeklärten und offenen Umfeld manchmal nicht sehr feministisch an. Schliesslich war es noch für meine Grossmutter weniger eine Entscheidung als ein Weg, der für sie vorbestimmt war. Und auch wenn unsere Grossmütter bestimmt auch gerne ihre Kinder grossgezogen und den Haushalt geschmissen haben, verdanken wir es doch feministischen Bewegungen, dass dieser Weg heute für uns hier in der Schweiz etwas weniger vorbestimmt ist. Das gilt jedoch bis heute nicht im Ansatz für alle Frauen auf der Welt. Und umso mehr braucht es den Feminismus, denn dank ihm wird die ganze Arbeit, die meine Grossmutter und viele andere Frauen tagtäglich geleistet haben und noch immer leisten, auch als das angesehen, was sie ist: unbezahlte Arbeit.
Und nun stehe ich vor der Frage, ob ich mich trotz dieser Errungenschaften für einen ähnlichen Weg entscheiden soll/will. Was für ein Dilemma! Beinhaltet Feminismus nicht das Loslösen von jeglichen gesellschaftlichen Anforderungen an uns als gebärfähige Personen?
Der innere Wunsch, eigene Kinder zu bekommen und im Haushalt tätig zu sein, kann einem selbst, aber auch der Gesellschaft schnell das Gefühl vermitteln, die Errungenschaften, die Frauen heute in der Schweiz geniessen, nicht ausreichend zu würdigen. Was wenn der Kinderwunsch dennoch bestehen bleibt? Sind wir immer eine Erklärung schuldig für unsere Entscheidungen? Oder ist das auch internalisiertes patriarchisches Denken, welchem wir unterliegen, wenn wir einen «anderen» Weg beschreiten wollen? Ja, wir haben heute zu vielen Orten Zugang, was früher für Frauen unmöglich war. Aber dürfen wir deswegen nicht mehr wählen, was wir wirklich wollen?
Und genau diese Freiheit ist doch eines der grössten Privilegien, die viele von uns hier in der Schweiz heute als selbstverständlich betrachten (dürfen). Die Freiheit der Wahl über unsere eigene Bildung, unseren beruflichen Werdegang und unsere persönliche Lebensgestaltung.
Die Mama vom Dienst
Als fürsorgliche und empathische Frau höre ich oft humorvolle Kommentare wie «Du bist ja echt die Mama der Gruppe». Was viele als Kompliment meinen, kommt mit einem speziellen Beigeschmack. Denn die Attribute, die einen zur «Mama» machen, sind oft mit zugänglichem und herzlichem Verhalten gegenüber seinem Umfeld verbunden, das eigentlich nicht nur Mütter zeigen können sollten. Dennoch sind Frauen, die vielleicht gerne kochen, sich um andere sorgen und sich für das Gemeinwohl in Gruppen einsetzen, oft als «Mama vom Dienst» bekannt. Aber diese Aufgaben sollten nicht nur von engagierten Frauen übernommen werden und auch nicht automatisch als «mütterliches Benehmen» betrachtet werden. Diese Menschen sollten als das gesehen werden, was sie sind: empathische und gute Freund:innen.
Die Rolle der «Mama vom Dienst» geht oft auch mit einer Freude an Hausarbeit oder einer Vorliebe für Ordnung einher. Doch kann eine weltoffene und emanzipierte junge Frau solche Vorlieben überhaupt noch haben, ohne als traditionell oder sogar veraltet zu gelten? Und heisst Feminismus eigentlich nicht, dass wir uns für das entscheiden können, was uns am ehesten entspricht und uns am meisten Freude bereitet?
Auch hier liegt die Antwort in der Freiheit. In der Freiheit, selbst zu entscheiden, ob und wie man (mütterliche) Aufgaben übernehmen möchte. Sie liegt aber auch in der Freiheit, eigene Vorlieben zu haben, ohne um den Ruf bangen zu müssen. Dazu gehört auch die Freiheit, einen gut bezahlten Beruf teilzeitlich ausüben zu können. Denn mal nebenbei ohne schlechtes Gewissen in der Küche zu stehen nach einem Nachmittag voller Hausarbeit ist eine Freiheit, welche auch allen gebührt.
Überzeugungen vs. persönlichen Wünsche
Mit dem Älterwerden kommen die Erfahrungen aus dem (eigenen) Umfeld. Freund:innen werden Eltern, die Babys sind super süss, und das Familienleben sieht sehr schön aus. Sollte man also wegen eines süssen Kindergesichts seine Überzeugungen über den Haufen werfen? Vielleicht! Doch meistens ist das nicht der einzige Grund. Das Leben verändert sich, und man wird älter, und die eigenen Überzeugungen ändern sich oder bleiben bestehen. Es entsteht ein persönlicher Konflikt, denn der Wunsch nach Kindern ist legitim, aber auch die eigenen moralischen Vorstellungen. Lassen sich also diese zwei Welten miteinander vereinen? Meine persönliche Antwort ist trotz vieler Zweifel ja. Ist deshalb heutzutage Kinderkriegen etwas Feministisches? Das entscheiden wir selbst.
Alma Onambele ist Teil der Redaktion von Geschlechtergerechter.