Durch feministische Theorien und internationalen Kinderlosenbewegungen in den USA und Deutschland setzten sich spätestens ab den späten 70er auch Frauen in der Schweiz mit ihrer Gebärfähigkeit auseinander. Der dominierende Begriff der 70/80er war sich als „kinderlos“ zu bezeichnen. Dabei waren besonders die finanziellen, sozialen oder familiären Freiheiten oder die Befreiung aus traditionellen Geschlechternormen Gründe, weshalb sich Frauen gegen das Kinderkriegen entschieden. Diese sind bis heute meist gleichgeblieben. Wenn dann sind nur noch weitere Argumente hinzugekommen. Was sich in den letzten 15 Jahren aber neu geändert hat, ist der Sprachgebrauch über das gewollte Nicht-Kinderkriegen.
Kinderlos oder kinderfrei?
Regula Simon, die Autorin von „Kinderlos bleiben? Auch OK“, geht genauer auf die Differenzierung zwischen „kinderlos“ und „kinderfrei“ ein. So erläutert sie, dass „kinderlos“ auf einen Mangel hinweise, da durch das „-los“ impliziert wird, dass etwas fehle. Dies kann mit Wörtern wie „arbeitslos“ oder „wertlos“ verglichen werden. Im Gegensatz dazu plädiert Regula Simon für eine alternative Bezeichnung, welche das „Fehlen“ einens Nachwuchs nicht als Mangelerscheinung brandmarktet. So wird bei „kinderfrei“ mit dem „-frei“ eher auf eine (erfreuliche) Abwesenheit von etwas hingewiesen. Eine glutenfreie Nahrung weist beispielsweise ebenfalls auf eine erwünschte Abwesenheit eines gewissen Lebensmittels hin.
Was jetzt?
Doch was spielt diese kleine Differenzierung nun für eine Rolle? Regula Simon und weitere Feministinnen betonen die dringende Neudefinierung des Sprachgebrauchs im Gespräch um gewollte Kinderlosigkeit. Obwohl sich seit den Debatten in den 70/80ern einige Umstände – Recht auf Abtreibung, Gleichstellung der Geschlechter in der Verfassung, Kriminalisierung der Vergewaltigung in der Ehe –, ist die Thematik heute noch stark präsent. Kinderlosigkeit – im Vergleich zu gewollter Mutterschaft – ist und bleibt in unserer Gesellschaft stets begründungsbedürftig. Doch aus der biologischen Fähigkeit der Mutterschaft ergibt sich nicht zwangsläufig die soziale Verpflichtung einer Mutterschaft. Durch eine simple Neudefinierung des gewollten Nicht-Kinderkriegens – beispielsweie wie durch den oben genannten Begriff „kinderfrei“ – könnte ein neuer, stereotypen-freier Raum entstehen, der Gebärfähigen Platz lässt, sich ungehemmt über ihre Entscheidung zu äussern und die Frage um (keine) Mutterschaft auf eine andere Ebene zu heben. Statt Gebärfähige stets zu kritisieren, warum sie keine Kinder wollen und sie durch ihre Entscheidung abzuwerten, braucht es viel eher Platz, um die Gründe dahinter zu verstehen und diese aufzuarbeiten. Es soll über Möglichkeiten gesprochen werden, wie eine diskriminierungsfreie Mutterschaft oder eben Kinderlosigkeit aussehen kann und wie verschiedene alternative familienpolitische Vorstellungen und deren praktische Umsetzungen entstehen können. Hierfür braucht es ein Gespräch um die Ambivalenz der Mutterschaft und der Idee der Kinderlosigkeit. Und genau da kann eine simple Differenzierung zwischen „kinderfrei“ und „kinderlos“ vielleicht gerade einen Anfang darstellen.
Louise Alberti ist Projektmitarbeiterin und Teil der Redaktion bei Geschlechtergerechter.