Bertschylr Familien – Blog Kathrin Bertschy, GLP, Bild: Franziska Rothenbuehler

Kinder statt Rinder

Kindertagesstätten sind entscheidend für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ihr Wert geht aber weit darüber hinaus: Fachkräfte für die Unternehmen, Steuereinnahmen für Bund und Kantone und die Gleichstellung von Mann und Frau hängen massgeblich davon ab.

Vor neun Jahren hat die OECD einen in ihrem Wirtschaftsbericht der Schweiz empfohlen, das wirtschaftliche Potential der Frauen besser zu nutzen. Sie empfahl uns, die familienergänzende Kinderbetreuung stärker zu fördern. Nur so könne das Wachstum in der Schweiz langfristig garantiert werden.

Was ist seither geschehen? Wenig. Zumindest nicht auf Bundesebene. Einige Kantone haben vielversprechende Reformen an die Hand genommen oder bereits umgesetzt. Für einen flächendeckende Versorgung mit zahlbaren Kita-Plätzen fehlen aber oft die nötigen Mittel. Deshalb ist der Bund gefragt.

Nur mit einer besseren familienergänzenden Kinderbetreuung kann das Wachstum in der Schweiz langfristig garantiert werden.

OECD Wirtschaftsbericht

Beidseitige Erwerbstätigkeit lohnt sich für Eltern oft nicht mehr

Die Anreize, welche wir in Zeiten von Fachkräftemangel setzen, sind geradezu grotesk: Die Kinderbetreuung belastet das Haushaltseinkommen von Eltern oft mit mehreren tausend Franken pro Monat. Diese Kosten haben zur Folge, dass ein Elternteil oft nicht oder nur reduziert erwerbstätig ist. Dies, weil es sich finanziell nicht auszahlt und nicht, weil es von den beiden Elternteilen so gewünscht wäre.

Der Wirtschaft fehlen dadurch wichtige Kompetenzen und Arbeitskräfte und dem Staat entgehen Steuereinnahmen. Genügend Kita-Plätze sind also nichts anderes als ein Beitrag zur Versorgungssicherheit unserer Wirtschaft mit den rar gewordenen Fachkräften.

Das traditionelle Rollenbild wird zementiert

Ganz besonders leidet die Gleichstellung, weil wegen der bestehenden Fehlanreize oft die Frauen das Erwerbspensum reduzieren. Rund 16% der Mütter bezeichnen sich heute als unfreiwillig unterbeschäftigt – sie würden ihr Pensum gerne erhöhen, es lohnt sich aber finanziell für sie nicht oder ist u.a. wegen mangelnder Kinderbetreuung nicht machbar. Ein Ausbau der Kinderbetreuung ist neben der Individualbesteuerung das effektivste Mittel für mehr Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt.

Von einer stärkeren Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung profitiert die ganze Volkswirtschaft: BIP und Steuereinnahmen steigen. Dies belegt beispielsweise eine Studie des unabhängigen Schweizer Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Economics.

Endlich positive Rauchzeichen aus dem Bundeshaus

Die Bundespolitik scheint die Zeichen der Zeit endlich zu erkennen. Die zuständige Kommission des Nationalrats hat eine parlamentarische Initiative ergriffen, die eine Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung verlangt.

Kitas müssen sich gegen starke Lobbys behaupten

Der Weg zum Bundesgesetz ist aber noch weit. Denn im Bundeshaus ist ein Verteilkampf zu erwarten – beispielsweise mit den Milliarden für die Landwirtschaft. Dort steht die Versorgungssicherheit stets hoch im Kurs. Beispielsweise beim Zucker, dessen einheimische Produktion wir immer noch grosszügig subventionieren (um dann gleichzeitig staatliche Präventionsmassnahmen zur Zuckerreduktion zu ergreifen…). Oder beim Fleisch, wo der Bund von der Produktion, über Werbemassnahmen bis zu Schlachtviehmärkten so ziemlich alles subventioniert.

Ich meine es wird Zeit, dass wir auch mit Blick auf die Versorgungssicherheit mit einheimischen Fachkräften den Fokus verschieben: Weg von Rindern, hin zu Kindern. Das wäre im Sinn von Volkswirtschaft und Gleichstellung.

Kathrin Bertschy ist Kopräsidentin von Alliance F und Nationalrätin der Grünliberalen Kanton Bern.