Der klassische römische oder griechische Männerhaarschnitt wird von vielen als prototypisch angesehen. Ein glattrasiertes Gesicht und kurze Haare gilt bis heute als klassisch männlich, aber das ist längst noch nicht alles.
Lange Haare und ein getrimmter Bart waren im Mittelalter bei den Adligen populär. Mit der Gesichtsbehaarung hatten die Männer immer viele modische Einsatzmöglichkeiten.
Im Barock begannen die Männer Langhaarperücken zu tragen. Eine üppige Haarpracht drückte Macht und Wohlstand aus.
Die Männerperücke ist ein Statussymbol, das heute noch von Richtern und Staatsanwälten im englischsprachigen Raum getragen wird.
Nach der Französischen Revolution verloren die Perücken ihre Statusfunktion, sie wurden zum Sinnbild der untergegangenen Welt. Im aufstrebenden Bürgertum trugen die Männer ihre Haare eher kurz. Längere und wildere eigene Männerhaare wurden zu einem Zeichen des Widerstands und des Aufbruchs:
Auch Künstler trugen Anfangs des 19. Jahrhunderts eher längere Haare, sie betonten damit das Unkonventionelle. Im Bürgertum des 19. Jahrhunderts verlagerte sich die Haargestaltung der Männer auf den Schnurrbart oder den Bart, damit durften sie eine gewisse modische Extravaganz ausdrücken.
Schnurrbärte wurden Ende des 19.Jahrhunderts mit Stärke nach oben gebogen um sie besser sichtbar zu machen.
Um die Jahrhundertwende zum zwanzigsten Jahrhundert kam die Brillantine auf, eine Art Fett, das die Haare so eng an den Kopf legte, dass das Gesicht besser zur Geltung kam.
Der bürgerliche Mann im Anzug trug ab 1880 seine Haare kurz und aus dem Gesicht gekämmt. Brillantine betonte die Kopfform und die Kantigkeit des Gesichts.
Die jungen Männer der 1968er-Generation wehrten sich gegen die uniforme Männlichkeit ihrer Väter. Sie zeigten dies mit wilden, langen Haaren.
Männer mit langen Haaren gerieten nach 1968 nicht nur mit ihren Vätern in Konflikt, sondern auch mit den staatlichen Institutionen wie dem Militär. In Deutschland setzte sich der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt 1971 für den Kauf von Haarnetzen in der Bundeswehr ein. Damit sollten die langen Haare der jungen Soldaten im Zaum gehalten werden. Die Bundeswehr rüstete sich in der Folge mit 740’000 Haarnetzen aus. Die Massnahme von Helmut Schmidt, die im Ausland als German Hair Force verspottet wurde, wurde 1972 bereits wieder aufgehoben, weil es unter den Soldaten offenbar «schwere Verkühlungen» gegeben hatte wegen nassem Haar. Neu galt: Haare dürfen Kragen nicht berühren, Ohren und Augen müssen frei sein.
In der Schweiz wurde das Haarnetz in der Armee 1992 eingeführt. Bis heute ist langes Haar nur für Soldatinnen zugelassen. Das Militär hat das Männlichkeitsbild der Gesellschaft allgemein sehr geprägt:
«Soldatentum ist höchst potenzierte Männlichkeit.»
Schon Im Ausbildungsreglement der Schweizer Armee von 1908 stand:
«Das Ziel der soldatischen Erziehung ist die Entwicklung männlichen Wesens.» (General Wille)
Gegen diese starre Normen wollte sich die junge Generation wehren: Die langen Haare waren das Zeichen des Andersseins, des Rebellentums, junge Männer haben «Schlachten» gegen ihre Väter über die Haarlänge ausgetragen. (Benedikt Weibel)
Als Ende der 1960er-Jahre die Männerhaare auch in der Schweiz immer länger wurden, brachte dies die Geschlechterordnung stärker ins Wanken als die Aktionen der Stimmrechtsvereine.
Junge Männer mit längeren Haaren wurden als «Halbstarke» bezeichnet. Ihre Haare galten als unmännlich. Die Jungen lehnten sich damit auch gegen die alte patriarchale Weltordnung auf. Sie forderten mehr Freiheit für andere Lebensentwürfe.
Mit der Popmusik wurden lange Männerhaare populär. Toni Vescoli schaffte es mit seiner Band Les Sauterelles 1968 sogar auf die Nummer 1 der Schweizer Hitparade.
In den 80ern kam der Punk auf, die Irokesenfrisur schaffte eine neue urbane, rebellische und kämpferische Männlichkeit. Mit dem ungehobelten anarchistischen Auftreten forderten die Punks auch die Popindustrie heraus.
Im Mainstream etablierten sich die halblangen Männerhaare. Auch das Brusthaar wurde erotisch aufgeladen.
In den letzten Jahrzehnten wurden Körperhaare auch bei Männern zur Problemzone. Rasierte oder epilierte Männerbrüste wurden attraktiv.