Paar in den 1920ern

Liebe und Ehe

    Porträt von Willhelm II und seiner Frau Mary Stuart, Gerard van Honthorst 1647

    Früher wurden Ehen geschlossen um Dynastien zu sichern, dort wurden legitime Nachfahren gezeugt und Vermögen zusammengelegt. Lange gab es neben der kirchlich geschlossenen Ehe auch andere aktzeptierte Paarformen wie das Konkubinat. Im Zuge der Reformation wurde die Ehe nochmals stärker reglementiert und andere Formen des Zusammenlebens wurden durch Kirche und Staat zum Verschwinden gebracht. Die Kirche stellte sicher, dass keine gemischtreligiöse Ehen entstanden und auch das Eheleben wurde überwacht und geregelt. Ehebruch und Liederlichkeit wurden sogar von weltlichen Gerichten geahndet. Die Ehe war eine Institution, mit Liebe hatte sie nur bedingt zu tun, sondern mit Vermögenssicherung und Nachwuchssicherung.

    Porträt von Willhelm II und seiner Frau Mary Stuart, Gerard van Honthorst 1647
    Rijksmuseum Amsterdam
    Karikatur von König George IV mit seiner Geliebten 1820

    In adligen Kreisen waren aussereheliche Affären an der Tagesordnung. Da die moralischen Regeln für Eheleute jedoch auch für das Volk immer rigider wurden, begann man auch bei Königen genauer hinzuschauen.

    Karikatur von König George IV mit seiner Geliebten 1820
    Ansichtskarte an einen Freund 1918

    Ab 1850 begann die Prostitution in einem nie gekannten Ausmass zu boomen. Die Doppelmoral schützte die bürgerlichen Ehemänner in ihrem Tun. Die Prostitution blühte besonders in den europäischen Grosstädten, sie trieb die meist jungen Frauen nicht nur in finanzielle Abhängigkeit, sondern auch in Armut und Krankheit.

    Während eine Frau, die sie einmal ausserhalb der Ehe mit einem Mann eingelassen hatte, lebenslang als entehrt galt, wurden Männer kaum belangt für ihr Verhalten, auch nicht wenn sie verheiratet waren.

    Ansichtskarte an einen Freund 1918
    Riksmuseum Amsterdam
    Verdingkind, das Mangold quetscht zum Dörren. ca. 1917

    Ausserehelicher oder vorehelicher Sex war besonders für Frauen lange eine hoch riskante Angelegenheit. Liess sich eine junge Frau mit einem Mann ein, so musste sie damit rechnen, dass er sie auch mit Kind sitzen liess. Denn niemand erwartete von einem Mann aus einer besseren Familie, dass dieser eine Frau ehelichte, mit der er voreheliche Erfahrungen machte.

    Die Verhütungsmöglichkeiten für Frauen waren derart schlecht, dass nicht selten Kinder aus solchen Verbindungen entsprangen. Diese Kinder konnten nicht von der Mutter allein aufgezogen werden, weil dies die Gesellschaft nicht zuliess und der Lohn der Frauen meist auch nicht für zwei reichte.

    Einige dieser unehelichen Kinder wurden in Waisenhäuser gegeben, wo sie einen weitaus tieferen Status hatten als Waisenkinder. Andere wurden als Verdingkinder in Familien gesteckt, wo sie oft zur Kinderarbeit missbraucht wurden.

    Uneheliche Kinder und Scheidungskinder wurden oft zu Verdingkindern. Viele kannten damals aus der Schule solche Kinder. Sie wussten, dass die Verdingkinder auch in der Schule von anderen Kindern misshandelt wurden.

    Das Verdingkindwesen blieb in der Schweiz bis Ende der 1980er Jahre bestehen.

    Verdingkind, das Mangold quetscht zum Dörren. ca. 1917
    Doris Day und Rock Hudson

    Neben all diesen Schattenseiten wurde die Ehe aber immer auch mit Liebeshoffnung verbunden. Einen besonderen Boom erhielt die Romantisierung der Ehe durch die Filmindustrie nach dem Ersten Weltkrieg. Hollywood spielt bis heute mit diesen Sehnsüchten, es gibt unzählige Liebesfilme, die in der Ehe endeten.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die rigiden Ehevorschriften langsam aufgelöst, Heterosexuelle, die heiraten wollten, konnten dies immer selbstverständlicher tun. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Ehe für mehr Menschen möglich und auch das Verbot der gemischtreligiösen Ehen wurde gelockert.

    Trotz dieser Veränderungen führte die Ehe die meisten Frauen in eine Versorgerehe. Mit der Heirat oder spätestens mit dem ersten Kind verloren sie ihr eigenes Einkommen und wurden von ihrem Ehemann auch finanziell abhängig.

    Doris Day und Rock Hudson
    Foto AFP
    Packungen mit oralen Verhütungspillen ca. 1970

    Mit der Pille zur Schwangerschaftsverhütung kam die Befreiiung der Sexualität von der Kinderfrage. Endlich konnten die Frauen entscheiden, ob und wann sie Kinder wollten und Sexualität ausserhalb der Ehe wurde möglich, ohne mit einer Schwangerschaft rechnen zu müssen.

    Kein Wunder versuchte die Medizin und die Politik die Pille nur an Frauen abzugeben, die bereits verheiratet und mehrfache Mütter waren. Es dauerte allerdings nicht lange bis die Verhütungspille auch von unverheirateten Frauen angewendet wurde.

    Packungen mit oralen Verhütungspillen ca. 1970
    Sexuelle Revolution nach 1968

    Um die Aufbruchstimmung nach 1968 verstehen zu können, muss man sich nochmals die rigide Sexualmoral der vorangehenden Jahrzehnte vor Augen führen. Unter dem etwas hochtrabenden Begriff Sexuelle Revolution wurde diese Zeit der Liebesexperimente bezeichnet. Viele versuchten die Paarbeziehungen aufzubrechen und offene Beziehungen möglich zu machen, sie lehnten den Besitzanspruch in der Liebe ab. Auch in dieser Aufbruchszeit blieb jedoch die Freiheit in der Sexualität hauptsächlich auf die Männer bezogen, denn die Moral änderte sich nicht so rasch. Frauen mit mehreren Partnern wurden nicht gerne gesehen. Die traditionelle Rollen- und Arbeitsteilung wurde durch diese Bewegung nicht nachhaltig verändert.

    Sexuelle Revolution nach 1968

    Es bewegte sich aber auch etwas im Bereich der gleichgeschlechtlichen Liebe. Nach dem Zweiten Weltkrieg war in Zürich rund um die die Zeitschrift "Der Kreis" eine Gruppe von homosexuellen und transidenten Menschen entstanden, die ein eigenes Klubleben etablierten. Ihre Feste waren legendär und sie zogen queere Menschen aus halb Europa an. Allerdings waren auch in Zürich in den 50er, und 60er Jahren Unterdrückung, Denunziation und Berufsverbote für homosexuelle Männer alltäglich.

    Im Film Der Kreis wird diese Zeit wiedererlerbbar.

    Ab 2007 konnten in der Schweiz gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft auf dem Standesamt eintragen lassen und so einander erbrechtlich und sozialversicherungsrechtlich absichern.

    Kommunenleben in Hamburg (Johnsallee)

    Auch heterosexuelle Liebespaare fanden neue Formen des Zusammenlebens. Viele lebten ab den 1970er Jahren als Konkubinatspaare ohne Trauschein zusammen, andere erprobten neue gemeinschaftliche Wohnformen wie die Wohngemeinschaft, oder in politischerem Kontext die Kommune. Vielen ging es darum, aus den Zwängen der bürgerlichen Geschlechterverhältnisse auszubrechen und neue Arten des Zusammenlebens auszuprobieren.

    Kommunenleben in Hamburg (Johnsallee)
    Nein Plakat zur Abstimmung Ehe für alle

    Nach der Jahrtausendwende wurde in dier Schweiz die Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft geschaffen. Gleichgeschlechtliche Paare konnten so ihre Partnerschaft rechtlich absichern. Familienrechtlich blieb diese Einrichtung aber hinter der Ehe zurück, so konnten beispielsweise nur die Kinder eines Partners oder einer Partnerin adoptiert werden. Die eingetragene Partnerschaft wurde auch nicht geöffnet für heterosexuelle Paare, was sie zu einer rein homosexuellen Angelegenheit machte.

    In einem weitere Anlauf wurde vom Parlament die Ehe für Alle angestrebt. Wegen eines Referendums wurde im September 2021 über die Ehe für alle abgestimmt. Sie wurde mit klarem Mehr angenommen. Seiher können keine Partnerschaften mehr zivilstandsamtlich eingetragen werden.

    Nein Plakat zur Abstimmung Ehe für alle
    Tour created by Lynn Blattmann

    Thanks for taking the tour!