Die Kritik ist berechtigt: Gendergerechte Sprache liest sich umständlich. Und sie lenkt vom eigentlichen Inhalt eines Textes ab. Ihr Ziel jedoch ist unbestritten ehrenhaft: Alle Geschlechter respektvoll ansprechen und sichtbar machen.
Die Umsetzung aber ist verzwickt. Gendersternchen, Schrägstrich, Doppelpunkte? Ist Leser*innen besser als Leser/innen und Leser:innen? Oder doch das etwas aus der Mode gekommene Binnen-I wie in LeserInnen? Eine weitere Möglichkeit wäre das neutrale «Lesende». Bloss wirkt das distanziert, als wäre nicht von Menschen die Rede, sondern von Objekten. Ausserdem ist es missverständlich – sind Leute gemeint, die einen Text lesen oder solche, die Trauben ernten?
Grammatikalisch ist es sowieso kreuzfalsch: «Anlegende» oder «Lernende» bezeichnen eine Tätigkeit, die in diesem Moment stattfindet. Schüler sind Lernende, wenn sie über dem Stoff brüten. Das tun sie aber nicht pausenlos und Lehrlinge sind sie deswegen auch nicht zwingend. Mit «Anlegende» wiederum könnte auch eine Mannschaft gemeint sein, die gerade ein Schiff in den Hafen fährt. Halt, stopp! Mannschaft? Keine Frau dabei? Auch nicht im Frauenfussball? Doch, dort heissen weibliche Mannschaften einfach «Team».
Oft ändert die neutrale Form auch die Bedeutung. Fahrende sind nicht Fahrerinnen und Fahrer. Zuhörer sind zwar meistens, aber nicht immer Hörende. Selbst der Duden gendert, was der Redaktion prompt ein Protestschreiben vom «Verein Deutsche Sprache» einbrachte, unterschrieben von 30’000 Personen.
Nicoletta Wagner ist Schweizer Vertreterin im Rat für deutsche Rechtschreibung und berät die Duden-Redaktion. In einem Artikel im Beobachter sagte sie: «Gleichstellung hat wesentlich mehr gebracht als sämtliche Sternchen und Doppelpunkte. Ich glaube auch nicht, dass gendern wahnsinnig viel zur Lohngleichheit beitragen könnte.» Ausserdem, fügte sie hinzu, sei Angela Merkel auch ohne Sternchen Kanzlerin geworden.
So oder so, auf den Duden ist Verlass. In der Rubrik «Sprachwissen» gibt er simple, brauchbare Tipps: Grundkurs statt Anfängerkurs, Zigarettenpause an Stelle von Raucherpause oder Fachwissen statt Expertenwissen.
Zwar schrieb kürzlich die NZZ süffisant: «Die Sprache ist keine Notdurftanstalt, in der es jede Tür einem Geschlecht zuzuordnen gilt.» Sprache, so die NZZ, könne die Verhältnisse dieser Welt weder passgenau abbilden noch verbessern. Probieren kann man es ja trotzdem, Kritik hin oder her.