Gendern Group Genderfluidität – Blog

Ich bin Mensch

Ist es ein Junge oder ein Mädchen? Das ist oft die erste Frage, wenn ein Kind auf die Welt kommt. Als ob das wichtig wäre.

Unsere Welt wird immer mehr aufgeteilt. Noch immer wird ab dem ersten Lebenstag strikt zwischen Jungs und Mädchen unterschieden, als ob nicht beides kleine Menschlein wären. Ich glaube, dass es etwas bringt, wenn wir uns nicht in erster Linie als Zugehörige einer Gruppe oder eines Geschlechts verstehen, sondern in erster Linie als Menschen.

Ich gebe zu, ich bin älter als der Durchschnitt, meine Lebensuhr hat für meine biologischen Frauenfähigkeiten längst zu ticken aufgehört. Vielleicht macht mir dies den Übergang vom Frausein als Identität zum Menschsein etwas leichter. Aber ich möchte einen Schritt machen: Ab sofort möchte ich mich selbst nicht mehr primär als Frau, sondern in erster Linie als Mensch sehen und verstehen. Ich bin also ab sofort keine ältere Frau mehr, sondern ein älterer Mensch.

Sie meinen, der Untertschied sei banal? Oder Sie wenden ein, dass man nach 63 Jahren das Frausein als Erstidentität nicht einfach ablegen kann. Vielleicht. Aber wenn ich mich in erster Linie als Menschen sehe und verstehe und das Frausein hintanstelle, dann kann ich etwas gewinnen: Ich habe plötzlich Menschenrechte, nicht nur Frauenrechte, ich denke nicht mehr zuerst in eingrenzenden Geschlechterkategorien, sondern ich darf zuerst einfach nur Mensch sein. Also in vielem gleich wie andere, in anderem anders. Ich darf menschlich sein, also Fehler haben, und auch grosszügig gegenüber anderen sein, also Menschlichkeit zeigen.

Endlich in erster Linie Mensch sein können und wollen, kann viel verändern, bei Frauen und bei Männern. Auch Männer können menschlicher werden, wenn sie nicht mehr in erster Linie Männer sein müssen oder wollen. Interessanterweise habe ich in den letzten Jahren viele spannende tief menschliche Männer kennengelernt, alle waren ältere weisse Männer (Ich wohne im Appenzellerland) in keiner noch so engagierten Diskussion kam uns der Geschlechterkampf in die Quere, wir redeten und diskutierten wie gebildete Menschen miteinander, die andere Dinge erlebt hatten. Wir wussten um unsere Ungleichheit, aber es war das Menschsein, das uns verband.

Ziel ist nicht, "alle Menschen werden Brüder" wie es in Beethovens 9. Symphonie heisst als Untertitel der Ode an die Freude, sondern alle Menschen werden Menschen, egal ob sie bisher als Brüder, Schwestern, Väter, Mütter, Onkel oder als sonst etwas geprägt und behandelt wurden und auch so gehandelt haben.

Primär Mensch sein zu dürfen und nicht mehr immer Frau sein zu müssen, ist mein Wunsch für 2024.

Was denken Sie darüber?

Kommentare