«Du übertreibst, so schlimm kann das nicht sein» oder «Jammere nicht so rum, das gehört halt zum Leben einer Frau». Solche Kommentare kennen Endometriose-Betroffene nur zu gut. Endometriose, das ist eine chronische und systemische Krankheit, bei der gebärmutterschleimhautartiges Gewebe ausserhalb der Gebärmutter wuchert. Die Folgen davon sind starke Schmerzen während der Menstruation, Erschöpfung, Verdauungsprobleme, Schmerzen bei penetrativem Sex, Unfruchtbarkeit oder ein geschwächtes Immunsystem – um nur einige der zahlreichen Symptome zu nennen. Weltweit ist jede zehnte Frau in gebärfähigem Alter betroffen, das sind rund 190 Millionen Menschen. Gibt es ein wirksames Medikament dagegen oder eine erfolgreiche Heilung? Nein, Fehlanzeige.
Doch Betroffene nehmen diesen unhaltbaren Zustand nicht länger hin. Weltweit schliessen sie sich in der Bewegung «Endo March» zusammen, um Aufklärung zu betreiben und Verbesserungen im medizinischen und gesellschaftlichen Umgang mit Endometriose zu fordern. Der Monat März ist der Aufklärungsmonat für Endometriose. Der Name «Endo March» ist ein Wortspiel: Er steht für den englischen Begriff «März» und für das Marschieren – ein Symbol fürs Vorwärtskommen. Die im Jahr 2014 in den USA gegründete Initiative hat sich mittlerweile über 60 Länder ausgedehnt und jährlich finden im März weltweit unzählige Veranstaltungen rund um Endometriose statt.
Bis heute ist der medizinische Wissensstand über Endometriose erschreckend lückenhaft: Weder ist der Ursprung der Krankheit bekannt, noch gibt es zuverlässige Diagnosemöglichkeiten oder Therapien. So vergehen im Durchschnitt sieben bis zehn Jahre, bis eine betroffene Frau die Diagnose erhält. Während dieser langen Wartezeit können sich die Endometriose-Herde in ihrem Körper weiter ausbreiten und sogar andere Organe befallen. Gleichzeitig sehen sich die Betroffenen auch mit Stigmata und Vorurteilen konfrontiert. So bekommen sie die Eingangs genannten Kommentare sowohl aus ihrem privaten Umfeld als auch von medizinischem Fachpersonal zu hören, Schmerzen werden heruntergespielt und Erfahrungsberichte nicht ernst genommen.
Ein wesentlicher Grund für diesen Missstand liegt in der Geschichte der westlichen Medizin. Diese ging während Jahrhunderten vom Männerkörper als Norm aus und vernachlässigte die Forschung über Krankheiten von Frauen und gender-diversen Menschen. Das Ergebnis? Eine immense Wissenslücke, gepaart mit patriarchal geprägter Ignoranz, prägt bis heute den Umgang mit Endometriose. Die Autorin Maya Dusenbery (2018) fasst das Dilemma treffend zusammen: Symptome von Frauen werden nicht ernst genommen, weil die Medizin zu wenig über Frauenkrankheiten weiss. Und die Medizin weiss zu wenig über Frauenkrankheiten, weil sie ihre Symptome nicht ernst nimmt.
In der Schweiz schlossen sich 2011 betroffene Frauen zusammen und gründeten Endo Help, die schweizerische Endometriose-Vereinigung. «Gemeinsam stärker» lautet ihr Motto und gemeinsam stark, das sind sie wirklich. Das müssen sie auch sein. Denn wo Stigmata, gesellschaftliches Unverständnis, medizinisches Unwissen und eine gravierende Unterfinanzierung der Forschung aufeinandertreffen, bleibt Betroffenen nur eines: sich zu verbünden, Wissen zu teilen und lautstark gegen Missstände anzukämpfen.
Die fundierten Kenntnisse, die Solidarität, der offene Wissenstransfer und das grosszügige Teilen von Ressourcen unter Betroffenen und Verbündeten sind beeindruckend und inspirierend. Doch diese Arbeit darf nicht romantisiert werden. Schlussendlich handelt es sich dabei um chronisch kranke Menschen, die trotz teils schwerer gesundheitlicher Belastungen in die Bresche springen müssen, weil Politik und Gesellschaft versagen. Es braucht daher dringend mehr Verbündete in der Forschung, der Politik, der medizinischen Praxis, am Arbeitsplatz und im Alltag. Trotz der aktuell misslichen Lage ist es möglich, vorwärts zu kommen. Wie die Bewegung des Endo March sagt: Gemeinsam können wir zu der Generation werden, die es endlich schafft, dem jahrhundertelangen Schweigen, dem Leiden und der Scham rund um Endometriose ein Ende zu setzen.