Heiratsstrafe Ehe – Blog Bild: Stillhart

Heirat? Strafe!

Allenthalben wird gejammert über fehlende Arbeitskräfte. Dabei hält ausgerechnet das Schweizer Steuersystem Mütter davon ab, zu arbeiten.

Für verheiratete Frauen lohnt es sich oft nicht, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Das hiesige Steuersystem orientiert sich an einem traditionellen Familienmodell und geht davon aus, dass die Frau nichts oder nur wenig dazuverdient. Auch ein tiefes Zweiteinkommen wird zum gleichen, meist höheren, Satz besteuert wie das erste.

Seit Jahren diskutiert die Politik über die Abschaffung dieser «Heiratsstrafe» – mit mehr oder minder kreativen Vorschlägen für ein fortschrittliches, zeitgemässes Besteuerungsmodell. Linderung könnte der Zweitverdienerabzug bringen. Weil er seine volle Wirkung bereits bei einem Pensum von 10 bis 15 Prozent erreiche, wirke er faktisch wie die Subvention einer geringen Arbeitsmarktpartizipation von Frauen, schrieb dazu der wirtschaftsfreundliche Thinktank Avenir Suisse.

Massive Erhöhung des Beschäftigungsgrades

Eine Studie des Forschungs- und Beratungsunternehmens Ecoplan kam zum Schluss, dass durch die Individualbesteuerung der Schweizer Wirtschaft schätzungsweise 60’000 zusätzliche Fachkräfte zur Verfügung stehen würden. Vor allem Frauen zwischen 25 und 55 Jahren würden ihr Pensum aufstocken, beziehungsweise überhaupt wieder arbeiten gehen.

Die Individualbesteuerung, da sind sich verschiedene Studien und Expert:innen einig, würde zu einer massiven Erhöhung der Beschäftigungsgrades führen und die Steuerausfälle ausgleichen, die durch die tiefere Besteuerung der Zweiteinkommen entstünden – eine Win-Win-Situation. Eine Frage bleibt dabei allerdings noch offen: Wer kümmert sich um die Care-Arbeit, wenn mehr Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen? Allenfalls könnte ein Blick nach Skandinavien hier Klarheit bringen.

Wir bleiben dran

Um das Thema Individualbesteuerung kommen wir nicht herum. Auch für viele unserer Netzwerkpartner:innen ist es ein zentrales Anliegen: So empfiehlt Alliance F in ihrer Zusatzbotschaft zur Legislaturplanung 2019 bis 2023 die Einführung einer modifizierten Individualbesteuerung. Die plattform unterstützt die von der FDP Frauen lancierte Eidgenössische Volksinitiative zur Einführung der Individualbesteuerung (Steuergerechtigkeitsinitiative). Die Unterschriftensammlung läuft seit März 2021.

Heike Scholten ist Mitglied der Redaktion #geschlechtergerechter