Die gebräuchlichste Interpretation vom Song «Boys Don’t Cry» ist, dass im Songtext der Mythos der männlichen Unverwundbarkeit entlarvt wird: Der Sänger gibt zu, dass er Tränen in den Augen hat, diese aber mit Lachen überspielt, da «Jungs nicht weinen».
Ich würde weitergehen. Der Song beleuchtet für mich mit einer Unterströmung von Ironie und verschleierter Empörung vor allem, wie tief dieses Klischee des «starken Mannes» von der Gesellschaft, aber auch von den Männer selbst verinnerlicht wurde.
Die Message ist aktueller denn je. Sätze wie «Jungs weinen nicht» oder «Tu nicht so, sei ein richtiger Mann», stützen destruktive Verhaltensweisen, etwa emotionale Distanz und Aggressivität. Und tragen dazu bei, Gewalthandeln als Konfliktbewältigung – unter Jungs und Männern, aber auch gegenüber anderen Menschen – zu normalisieren. Und jetzt sind wir schon mitten in der (meist sehr emotionalen) Diskussion über die sogenannte «toxische Männlichkeit».