Illu vater kinderkleider2 lr Kinder – Kolumnen

Die beiden Kinderabteilungen

Ich hielt Kleidung immer für etwas Zweckmässiges, ähnlich wie Zahnbürsten oder Küchentücher. Doch beim Kleiderkauf für die Kinder – zwischen Glitzer und Baggern – wurde mir klar: Selbst Unterhosen für Dreijährige sind politisch und Kleidung ist nie neutral – weder für Kinder noch für ihre Eltern.

Ich bilde mir ein, zu Kleidung eine sehr emotionslose Beziehung zu haben, ähnlich wie zu Zahnbürsten oder Küchentüchern. Wenn meine Jeans zu viele Löcher hat, bestelle ich im Webshop die gleiche Grösse und den gleiche Stil nach, dito für T-Shirts und Hemden. Mein Ziel ist es, weder ein Kleidergeschäft zu betreten noch am Morgen überlegen zu müssen, was ich anziehen soll. Lange habe ich mir eingebildet, so eine Art neutrale Uniform gefunden zu haben: langlebige und unauffällige Kleider, die den Zweck erfüllen, dass mir nicht kalt ist und ich nicht auffalle.

Als ich Vater wurde, hat das ganze Konzept nicht mehr funktioniert. Zwar musste ich in den ersten Lebensjahren unserer Kinder noch kaum Kleider für sie kaufen: Irgendwie gab es ständig Menschen, die uns bunte Onesies, gestrickte Söckchen und herzige Winterjacken ins Haus brachten. Irgendwann kam aber der Moment, dass meine älteste Tochter Unterwäsche benötigte und ich mich dazu aufraffte, einen Kleiderladen aufzusuchen.

Ich betrat also eine Filiale einer internationalen Kette mit dem Ziel, Unterwäsche für meine zweijährige Tochter zu erwerben. Mit meiner Kleider-als-unauffällige-Uniform-Idee hatte ich die starke Überzeugung, dass Kleidungsstücke ohne Aufschriften («Daddy’s the best», «Surf and SUN», «Embrace your inner princess») oder Bilder (Reptilien-Cartoons, Frozen-Figuren, Bagger) zu bevorzugen sind. In meiner Vorstellung würde ich schnell in den Laden gehen, ein paar unauffällige Kleidungsstücke in Uni-Farben in den Warenkorb legen und möglichst bald wieder das Weite suchen. Doch ich hatte nicht mit der Infamie der Modeindustrie gerechnet.

Eigentlich wollte ich im Kleiderladen die Kinderabteilung betreten, musste aber dann feststellen, dass es eigentlich zwei verschiedene Abteilungen gibt: Die eine strotzte vor Pink und Glitzer; Einhörner und Ponys teilten sich den Raum mit Regenbogen; alles schien flauschig und voll Rüschen. In der anderen Abteilung dominierten die dunkleren Farben; Reptilien tummelten sich neben Baumaschinen; alles gleichzeitig frech und doch praktisch orientiert. Ich war, ehrlich gesagt, etwas verloren zwischen den Welten und entschied mich zuletzt für Unterhosen mit dem Dinosaurier-Motiv, die mir in dem Moment die am wenigsten anstössigste Option zu sein schienen.

Der Besuch des Kleiderladens war für mich als Vater ein prägender Moment. Natürlich wusste ich vorher, dass wir in einer gegenderten Welt lebten, aber irgendwie war mir zu wenig bewusst, wie schwierig es ist, sich dem zu entziehen. In der Kinderkleiderabteilung werden mit dem Holzhammer Bilder in unbedarfte Kinderköpfe eingehämmert. Dort passiert die wahre Gehirnwäsche, nicht in der geschlechtssensiblen Pädagogik, die versucht zu retten, was noch zu retten ist.

Nach dem Kauf der Dino-Unterhosen überlegte ich, wie ich in Zukunft mit der geschlechterbinären Welt umgehen soll.

Alex Schindler

Sollte ich den Kindern eine neutralere Welt zu bieten versuchen (und anderswo unifarbene Unterhosen auftreiben)? Oder sie der Welt aussetzen, wie sie ist, dafür aber möglichst viel darüber sprechen und erklären? Beide Möglichkeiten haben für mich ihre Berechtigung. Oft habe ich eine Kombination davon versucht, manchmal war ich zufrieden mit dem Resultat, manchmal nicht.

Wenn ich aber nach fast 10 Jahren noch einmal darüber nachdenke, merke ich, dass mein Erstaunen über die grellen Kinderabteilungen doch von einer gewissen Naivität geprägt war. Die Bagger- und Prinzessin-Motive waren für mich leicht zu erkennen, aber meine eigene Uniform mit den Levis-Jeans und Eton-Shirts sind natürlich auch zu einem hohen Grad gegendert. Und mein eigenes Bedürfnis, mit Kleidern möglichst wenig aufzufallen, bedingt ja auch das stillschweigende Einverständnis, sich der Welt anzupassen.

Insofern war der Besuch der Kinderabteilungen eine Auseinandersetzung mit meinem eigenen Verhältnis zu Kleidung. Ich habe dabei gemerkt, dass mir ein prägnanter und stereotyper Genderausdruck unangenehm ist, ich aber keine Probleme habe, mich an subtilere Standards anzupassen. Ich habe nicht viel Interessantes dazu zu bemerken – wie schon bemerkt, Kleider interessieren mich zu wenig.

Die Kinder dagegen haben einen stets wechselnden Umgang mit ihrer Umwelt und dem, was zur Auswahl steht. Als unser Sohn gut zwei Jahre alt war, fragte meine Partnerin ihn in einem Laden, welche der Unterhosen er gerne möchte. Er musste nicht lange überlegen und forderte in seinem nasalen Kleinkind-Singsang, er wolle «verrrry prrretty girl underwears» haben. Ein paar Jahre später erbte er einmal pinke Sandalen und meinte dann, andere Kinder würden sagen, das seien Mädchensandalen, aber ihm sei das egal. Mittlerweile ist er in einer angepassteren Phase angekommen und präferiert unauffällige Kleidungsstücke. Ich kann ihm nachfühlen, bin aber gleichwohl auch gespannt, ob es wieder andere Phasen gibt.

Alex Schindler ist Autor für Geschlechtergerechter

20.11.2025