Ich bilde mir ein, zu Kleidung eine sehr emotionslose Beziehung zu haben, ähnlich wie zu Zahnbürsten oder Küchentüchern. Wenn meine Jeans zu viele Löcher hat, bestelle ich im Webshop die gleiche Grösse und den gleiche Stil nach, dito für T-Shirts und Hemden. Mein Ziel ist es, weder ein Kleidergeschäft zu betreten noch am Morgen überlegen zu müssen, was ich anziehen soll. Lange habe ich mir eingebildet, so eine Art neutrale Uniform gefunden zu haben: langlebige und unauffällige Kleider, die den Zweck erfüllen, dass mir nicht kalt ist und ich nicht auffalle.
Als ich Vater wurde, hat das ganze Konzept nicht mehr funktioniert. Zwar musste ich in den ersten Lebensjahren unserer Kinder noch kaum Kleider für sie kaufen: Irgendwie gab es ständig Menschen, die uns bunte Onesies, gestrickte Söckchen und herzige Winterjacken ins Haus brachten. Irgendwann kam aber der Moment, dass meine älteste Tochter Unterwäsche benötigte und ich mich dazu aufraffte, einen Kleiderladen aufzusuchen.
Ich betrat also eine Filiale einer internationalen Kette mit dem Ziel, Unterwäsche für meine zweijährige Tochter zu erwerben. Mit meiner Kleider-als-unauffällige-Uniform-Idee hatte ich die starke Überzeugung, dass Kleidungsstücke ohne Aufschriften («Daddy’s the best», «Surf and SUN», «Embrace your inner princess») oder Bilder (Reptilien-Cartoons, Frozen-Figuren, Bagger) zu bevorzugen sind. In meiner Vorstellung würde ich schnell in den Laden gehen, ein paar unauffällige Kleidungsstücke in Uni-Farben in den Warenkorb legen und möglichst bald wieder das Weite suchen. Doch ich hatte nicht mit der Infamie der Modeindustrie gerechnet.
Eigentlich wollte ich im Kleiderladen die Kinderabteilung betreten, musste aber dann feststellen, dass es eigentlich zwei verschiedene Abteilungen gibt: Die eine strotzte vor Pink und Glitzer; Einhörner und Ponys teilten sich den Raum mit Regenbogen; alles schien flauschig und voll Rüschen. In der anderen Abteilung dominierten die dunkleren Farben; Reptilien tummelten sich neben Baumaschinen; alles gleichzeitig frech und doch praktisch orientiert. Ich war, ehrlich gesagt, etwas verloren zwischen den Welten und entschied mich zuletzt für Unterhosen mit dem Dinosaurier-Motiv, die mir in dem Moment die am wenigsten anstössigste Option zu sein schienen.
Der Besuch des Kleiderladens war für mich als Vater ein prägender Moment. Natürlich wusste ich vorher, dass wir in einer gegenderten Welt lebten, aber irgendwie war mir zu wenig bewusst, wie schwierig es ist, sich dem zu entziehen. In der Kinderkleiderabteilung werden mit dem Holzhammer Bilder in unbedarfte Kinderköpfe eingehämmert. Dort passiert die wahre Gehirnwäsche, nicht in der geschlechtssensiblen Pädagogik, die versucht zu retten, was noch zu retten ist.


