Als ich ein Kind war, wünschte ich mir nichts so sehr wie ein Taschenmesser. Ein richtiges Offiziersmesser wollte ich, eines mit Ahle, Schraubenzieher, Korkenöffner und Säge. Es dauerte einige Wochen bis ich meinen Götti soweit hatte, dass er mir zum Geburtstag ein rotes Victorinox schenkte.
Man schrieb das Jahr 1969 und ich war überglücklich, als ich das ersehnte Ding in meiner Hand spürte, damit würde ich alles tun können, was ich wollte: Schnitzen, Spielzeug flicken, ja, sogar Bäume umsägen und Löcher bohren. Meine Freude dauerte nur kurz, denn die Erwachsenen begannen noch vor dem Essen des Geburtstagskuchens mit der Diskussion, ob man einem Mädchen überhaupt so etwas schenken könne, ob das nicht viel eher etwas für einen Bub sei.
Ich verzog mich mit dem roten Messer ins Kinderzimmer und versuchte minutenlang vergeblich die Klinge herauszuklappen. Weil ich das nicht hinbekam, entschloss ich mich das Messer zu versorgen und so zu tun, als würde ich mich über die anderen Geschenke viel mehr freuen als über das schneidige Supertool.
Bisher hatte ich gemeint, dass alle Kinder ein Taschenmesser besassen nur ich nicht. Am Tag meines 8. Geburtstags fand ich heraus, dass nur alle Buben eins hatten und dass sie überhaupt nicht erpicht darauf waren, dass ich als Mädchen nun auch so ein rotes Teil besass. Einer wollte es mir wegnehmen, weil ich es ja sowieso nicht aufbekam. Ein Anderer versprach mir, dass er jeden Schnitz- oder Schraubauftrag für mich erledigen würde, wenn ich ihm mein Messer überliesse.