«Fühlst du dich wohl?», fragt Lisa nachdem ich mich umgezogen habe. Lisa leiht mir gerade einen ihrer Röcke für den darauffolgenden Tag, an dem sich berockte Männer frühmorgens im öffentlichen Raum zu einem Gruppenfoto treffen und danach zu ihren Arbeitsorten ausschwärmen werden. Schon zum zweiten Mal bin ich Teil dieser Aktion, die mir sehr am Herzen liegt, und schon zum zweiten Mal fühle ich mich nicht wirklich wohl. Eher exponiert, verletzlich und potentiell vernichtenden Urteilen ausgeliefert. Da bin ich aber froh, dass Lisas Rock wenigstens über die Knie reicht und dezent olivgrün ist, anstatt “mini” und blümchengemustert.
Eigentlich wäre das die ehrliche Antwort auf Lisas Frage gewesen, aber aus Überforderung zucke ich mit den Schultern und lenke das Gespräch auf technische Aspekte (wie männlich von mir!):
«Wie trägt mensch einen solchen Rock richtig?». Lisa bemerkt, dass er auf meiner Hüfte liegt und korrigiert: «Eigentlich ist die Idee, ihn um die Taille zu tragen, damit diese schmal wirkt. Ausserdem sehen die Beine dann länger aus.». Mir tut sich eine neue Welt auf, und hiermit zeigt sich schon das erste männliche Privileg: Sich bis anhin selten bis nie überlegt zu haben, wie der eigene Körper gegen aussen wirkt (zumindest gilt das für Millenial-Männer wie mich; ob es auch für jüngere Generationen gilt, sei dahingestellt). «Aber das mit der schmalen Taille gilt für Männer weniger, oder?», frage ich etwas unsicher. Lisa nickt verständnisvoll. Ich nicke zurück. Aber wieso nicken wir eigentlich?