Inwiefern spielt Geschlecht für deine Arbeit eine Rolle?
Ich glaube, in dieser Frage liegt der Grund für die vielen unangenehmen Performances von Männern, die als Frauen besetzt werden, und umgekehrt. Oder generell Menschen, die entgegen ihrer Geschlechtsidentität besetzt werden. Es wird zu sehr über das Geschlecht der Figur nachgedacht. Es ist für mich eine Art unnötiger Umweg, um Dinge zu erzählen. Für mich geben zum Beispiel Kostüm oder Maske vor, wie ich etwas spiele; das macht etwas mit meiner Körperlichkeit. Vor allem die Schuhe: als ich im Stück „EWS“ Eveline Widmer-Schlumpf spielte, waren es Pumps, dazu der Bleistiftrock, der Blazer. Alles, was ich in so einem Kostüm anbiete an szenischen Vorgängen oder Ideen, funktioniert schon prinzipiell anders, als wenn ich das in Turnschuhen mache. Ich versuche, nicht auf irgendwelche Vorstellungen von Geschlecht zurückzugreifen, sondern mir zu überlegen: Wie gibt sich diese Person, wie lächelt sie, wie verhält sie sich in einem Raum mit anderen Menschen? Wie würde mein eigener Körper mit all dem umgehen?
Wer sind deine Vorbilder?
Menschen, die in ihrem Selbstverständnis schon mit Genderrollen gebrochen hatten, bevor ich es konnte. Die Personen, die mich seit der Volljährigkeit stark geprägt haben, waren fast ausschliesslich queere Menschen, genderqueere Personen oder Transpersonen. Ich muss an Lou denken, die mir so viel über Recklessness und Radikalität gezeigt hat. Dann definitiv Kairo, mit dem ich eine zweite queere Adoleszenz machen durfte. Brandy Butler hat eine riesige Rolle in meiner Entwicklung und meinem Verstehen von Wahlfamilie gespielt, und tut es immer noch täglich. Und dieses Jahr ist zu hundert Prozent Ivy Monteiro mein Vorbild, da they mir ihren grossartigen Humor gezeigt hat, aber auch, das Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe zu normalisieren.