Toleranz 3 Pornografie – Interview

Porno und Feminismus

Ist OnlyFans eine feministisch emanzipierte Plattform für Pornografie?

Pornhub ist die wohl verteufelste Website im modernen Feminismus – und dies zurecht.

Doch kann der Feminismus mit Pornografie sympathisieren, wenn sie auf andere Weise produziert wird? Zum Beispiel bei Apps wie OnlyFans, bei der die Idee ist, dass Produzierende selbst entscheiden, wie ihr Inhalt aussieht und wie viel er kostet.

Unter der Leitfrage «Ist OnlyFans eine feministisch emanzipierte Plattform für Pornografie?» beschäftigte sich Cora Nanut im Kontext ihrer Maturarbeit damit. Ein Interview mit ihr über ihre gefundenen Antworten und die Gedanken darüber hinaus.

Was war der Ursprungsgedanke zu deiner Leitfrage?

Ich habe verschiedene Interviews mit Pornodarstellerinnen gehört wie Mia Khalifa, Lana Rhoades und Chloe Cherry und dabei ist mir aufgefallen, wie alle positiv über OnlyFans geredet haben. Natürlich gab es auch Kritik an der Pornoindustrie, jedoch gaben sie alle zu, Sex, auch vor der Kamera, zu lieben.

«Der Feminismus geht noch nicht weit genug, dass wir verstehen, dass Frauen eigentlich auch eine eigene Lust haben.»

Cora Nanut

Daraufhin ist mir aufgefallen, dass es dennoch sehr viel Diskriminierung gegen Frauen gibt, die als Pornodarstellerinnen arbeiten. Ich finde es gut, dass der Feminismus so weit gegangen ist, dass wir die Ausbeutung in der Pornoindustrie anerkennen – aber der Feminismus geht noch nicht weit genug, dass wir verstehen, dass Frauen eigentlich auch eine eigene Lust haben und dass es durchaus Frauen im Internet gibt, die das gerne machen.

Du hast die zwei bekanntesten Pornoplattformen, Pornhub und OnlyFans, miteinander verglichen. Was ist der grundlegende Unterschied dieser zwei Webseiten?

Ich sehe Unterschiede auf verschiedenen Ebenen. Einmal rein administrativ, bei Pornhub muss man nicht zahlen, und sich nicht registrieren lassen und es ist egal, was ins Netz hochgeladen wird, wobei nicht garantiert ist, dass die Darstellenden aus dem Video dem zugestimmt haben oder dafür bezahlt werden.

Bei OnlyFans musst du dich einloggen und deine Identität validieren, wenn du produzieren und konsumieren willst. Hinzu kommt, dass die Produzierenden auch selbst den Preis festlegen. Das Konsumieren ist also kostenpflichtig.

Ein weiterer Punkt wäre die persönliche Ebene. In meinen Augen schafft Pornhub eine unnatürliche Distanz zwischen Konsumierenden und Produzierenden. Zum Beispiel werden oft nicht einmal die Namen der im Video vorkommenden Personen genannt. Diese werden im Videotitel durch Benennungen wie «Stepsister» oder «Milf» beschrieben. Bei OnlyFans gibt man sich selbst einen Namen und die App hat eine Chatfunktion. Dies macht das Ganze viel persönlicher, was die Produzierenden nicht dermassen entmenschlicht, wie das bei Pornhub der Fall ist.

Dennoch will ich OnlyFans nicht nur in den Himmel loben. Denn es ist kein fehlerfreies System und es gibt auch hier Personen, die in die Sache reingeredet und dann ausgebeutet werden.

Du erwähnst in deiner Arbeit, dass es feministische Bewegungen für und gegen Pornografie gibt. Wie argumentieren diese beiden?

Gegen Pornografie spricht eigentlich der Grundgedanke des Feminismus: Die Frau wird oft ausgenutzt. In der porNO Bewegung Ende 80er Jahre positionierte man sich klar gegen erniedrigende sexuelle Darstellungen von Frauen. Deshalb sind auch noch viele Frauen, die die porNO Kampagne miterlebt haben, sehr gegen Porno. Das habe ich auch durch deren Reaktionen zu meiner Arbeit zu spüren bekommen.

Der Frau den freien Willen zu überlassen, das ist das, was aus feministischer Perspektive dafürspricht. Wie zum Beispiel, dass eine Frau genauso feministisch ist, wenn sie arbeiten geht, wie wenn sie sich um den Haushalt kümmert. Es geht um den Fakt, dass sie die Wahl hat. Und die sexuelle Freiheit gehört für mich dazu.

Kommen wir zu einer Definitionsfrage: Deine Leitfrage beinhaltet die Adjektive emanzipiert und feministisch. Woran misst du feministisch?

Es ist nicht einfach, hier Grenzen zu ziehen: Aber wenn Frauen selbst davon profitieren, dann ist es feministisch. Der bereits genannte Aspekt des Selbstbestimmens schwingt natürlich mit.

Selbst wenn Frauen selbstbestimmt produzieren, werden sie sich bei ihrem Content eher an sexistischen Stereotypen bedienen. Denn das ist schliesslich das, was sich in einer stets sexistisch geprägten Gesellschaft verkauft. Natürlich könnte man dann sagen, dass dies sexistische Stereotypen fördert und deshalb keineswegs feministisch sein kann. Mit einer solchen Aussage wird aber ein systematisches Problem einer einzigen Frau, die lediglich ihr Geld verdienen will, aufgebunden. Und das finde ich dann auch nicht fair. Es it ein anstrengendes Narrativ, dass jede Handlung einer Frau feministisch sein soll.

Du erwähnst in deiner Arbeit, dass das Wort Prostitution «über Huren schreibend» bedeutet. Könnte man also OnlyFans als «von ‹Huren› schreibend» betiteln?

Besser formuliert wäre es «von ‹Huren› geschrieben». Dies besetzt auch irgendwie automatisch das Wort «Hure» positiv. Der Fakt, dass dann die «Hure» schreibt, unterstreicht für mich den künstlerischen Aspekt, den Pornografie hat.

Eine OnlyFans-Creatorin, die ich in meiner Arbeit interviewt habe, macht OnlyFans wegen ihrer finanziellen Lage. Laut ihrer Aussage würde sie dies auch tun, wenn sie es finanziell nicht nötig hätte, dann aber als Kunst.

Nach all deiner Recherche, was ist jetzt deine Sicht auf OnlyFans?

Zuallererst würde ich klarstellen, dass ich es großartig finde, dass es existiert. Egal wie feministisch es jetzt ist, befürworte ich es, dass jemand sich einen neuen Ansatz überlegt hat. Es hat vielen Sexarbeiterinnen während der Corona-Zeit geholfen, weiterhin Geld zu verdienen und einige hat OnlyFans auch vom Strich weggebracht.

Dank der Richtlinien ist es wesentlich sicherer als Pornhub. Das Konzept von OnlyFans kommt den Produzierenden zugute, da theoretisch selbst entschieden werden kann, was man produzieren will. Es wird wahrscheinlich eher auf sexistische Stereotypen zurückgegriffen, da die sich am besten verkaufen. Jedoch muss man dies nicht – ist man aber vom Geld abhängig, wird man es machen. Der freie Entscheid darüber, was produziert werden soll, gilt also nicht für jede Person gleichermassen.

«Veränderung geht nur so weit, wie unsere Gesellschaft das erlaubt.»

OnlyFans ist ein Schritt – die App ist emanzipierter als andere Angebote. Wichtig ist aber dieses «er» am Ende des Worts. Ich bin weniger naiv als vor dem Fertigstellen meiner Arbeit, lauthals zu verkünden, dass es die Lösung sei. Es ist lediglich ein Lösungsansatz. Aber es ist nicht nur der Pornomarkt, der sich verändern muss, sondern auch unser Verhältnis dazu. Denn Veränderung geht nur so weit, wie unsere Gesellschaft das erlaubt.

Interview von Nadja Heinsius, sie ist Autorin bei Geschlechtergerechter

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