Eine aktuelle Studie zeigt: Jede dritte Frau in der Schweiz träumt davon, ein Unternehmen zu gründen. Tatsächlich wagen immer mehr Frauen den Schritt in die Selbständigkeit. Heute liegt der Anteil von Firmengründerinnen bei 31,6 Prozent – das sind doppelt viele wie noch vor 20 Jahren. Doch Firmengründerinnen haben nach wie vor mit Schwierigkeiten zu kämpfen: So verdienen selbständige Frauen im Schnitt rund zwanzig Prozent weniger als selbständig tätige Männer, gelangen deutlich schwieriger an Investorengelder und werden weniger ernst genommen.
Wie selbständige Frauen ihren Weg meistern, zeigte sich Mitte August 2025 beim ersten «Business Boost Live»-Event von Selbständige Frauen Schweiz in Zürich. Diese Plattform will Frauen beim Gründen und Wachsen einer eigenen Firma unterstützen – mit Workshops, einem Podcast und Veranstaltungen. Rund 80 Gründerinnen und Selbständige tauschten sich einen Nachmittag lang über Chancen und Stolpersteine der Selbständigkeit aus. Geschlechtergerechter war vor Ort und hat mit den beiden Gründerinnen Lisa Burth und Jana Berger gesprochen.
Lisa und Jana: Was sollten Frauen wissen, bevor sie den Schritt in die Selbständigkeit wagen?
Lisa Burth: Suche dir von Anfang an eine andere Frau, die beruflich selbständig ist oder es werden will und tausche dich mit ihr aus. Dann merkst du, dass viele andere Selbständige ähnliche Ängste und Unsicherheiten haben. Gerade in der Gründungsphase, die oft ein grosses Auf und Ab ist, ist das enorm wertvoll. Man kann sich gegenseitig Feedback geben, motivieren und unterstützen.
Jana Berger: Viele denken, man müsse zuerst einen Handelsregistereintrag machen – aber sobald du dich entscheidest, etwas aufzubauen, hast du dein Geschäft eigentlich schon gestartet. Deshalb würde ich von Beginn weg eine einfache Excel-Liste führen mit allen Einnahmen und Ausgaben. Wenn man sich am Ende des Jahres bei den Sozialversicherungen anmeldet, hat man dann schon ab Tag eins alles sauber dokumentiert.
Wie unterscheidet sich die Selbständigkeit zwischen Männer und Frauen?
Lisa Burth: Wir wurden lange gefragt, wie viel unser «kleines» Projekt überhaupt einbringt und ob wir damit wirklich unseren Lebensunterhalt bestreiten können – dabei war es längst unser Hauptjob. In der selbständigen Berufswelt haben wir Frauen einen schweren Stand. Wir bekommen viel Kritik, werden belächelt und nicht ernst genommen. Oft heisst es: «Ja, die mit ihrer kleinen Einzelfirma.» Mittlerweile drehen wir das um und nutzen es als Stärke. Denn wenn man unterschätzt wird und andere dann merken, wie weit man tatsächlich schon ist, hat das auch Vorteile.
Jana Berger: Viele Frauen sind häufig unsicherer als Männer. Man darf nicht vergessen: Erst seit 1988, als das neue Ehe- und Erbrecht eingeführt wurde, dürfen Frauen in der Schweiz selbst entscheiden, ob sie einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen und ein eigenes Bankkonto führen. Wir sind beide 1993 geboren – unsere Mütter waren die erste Generation, die vor dem Gesetz gleichberechtigt waren. Das sitzt noch tief in uns. Viele Frauen stellen sich zudem viel häufiger die Frage, ob sie «gut genug» sind. Bei Männern sehe ich das weniger.
Lisa Burth: Doch gerade mit Blick auf die Familienplanung ist Selbständigkeit für Frauen ein grosser Vorteil: Sie ermöglicht mehr Flexibilität und Selbstbestimmung. Das macht es einfacher, Kinder zu bekommen und gleichzeitig erwerbstätig zu sein. Zudem bietet die Selbständigkeit eine Plattform, um den eigenen Träumen zu folgen.
Viele Frauen trauen sich den Schritt in die Selbständigkeit nicht zu, habt ihr im Workshop erzählt. Woher kam euer eigener Mut?
Lisa Burth: Das frage ich mich heute noch (lacht). Aber ja, ich hatte viele Ängste. Dann habe ich mir gesagt: Für ein halbes Jahr habe ich Geld. Wenn es danach nicht reicht, höre ich wieder auf und suche eine Vollzeitstelle. Das hat für mich den Druck rausgenommen.
Jana Berger: Teilselbständig zu werden war für mich relativ einfach: Ich habe ein Business gewählt ohne grosse Investitionen und Risiken. Der Schritt in die volle Selbständigkeit hat dagegen viel Zeit gebraucht. Sechs bis sieben Monate habe ich mit mir gehadert. Was mir dann geholfen hat: eine klare Finanzaufstellung. Ich sah, dass ich durchkomme, wenn ich meine Ausgaben senke. Zwar konnte ich für eine Weile nicht sparen und in die Vorsorge einzahlen und zog in eine günstige WG, aber die laufenden Kosten waren gedeckt. Das Zweite: Ich habe mich bewusst mit selbständigen Frauen umgeben und das hat mir sehr viel Mut gegeben.
Wann war euer Schlüsselmoment, an dem ihr wusstet, jetzt mache ich mein eigenes Ding?
Lisa Burth:
Durch Corona hatte ich Kurzarbeit und viel dadurch viel Freizeit und Selbständigkeit. Als ich wieder 100 % arbeiten ging, merkte ich: Das mache ich nicht mehr. Ich reduzierte auf 80 % und ein halbes Jahr später habe ich mich dann ganz selbständig gemacht.
Jane Berger: Bei mir war es im gleichen Zeitraum. Ich spielte schon länger mit dem Gedanken, selbständig zu werden – mein Grossvater hatte ein Treuhandbüro, mein Vater ein Informatikbüro. Ich wusste nur nicht, mit was. Zuerst probierte ich Investments, das war nicht meine Welt. Dann Ernährungsberatung, auch nicht meine Welt. Irgendwann kam ich zum Yoga und organisierte ein erstes Retreat – Lisa war auch dabei – und alle sagten, ich organisiere das gut. So kam das Ganze ins Rollen.
Welche Wünsche habt ihr für die Zukunft der Frauen in der Schweiz?
Jana Berger: Ich wünsche mir, dass jede Frau – egal ob selbständig oder angestellt – ihren Träumen nachgeht und etwas macht, das sie liebt und hinter dem sie voll stehen kann. Voll-Selbständigkeit passt nicht zu allen, und das ist auch völlig in Ordnung. Wichtig ist, dass man das, was man täglich macht, gerne tut.
Lisa Burth: Ich wünsche mir, dass Frauen noch stärker sehen, wie viel Kraft in ihnen steckt und dass sie Unternehmen nicht so aufbauen müssen, wie es ein Mann tun würde, sondern so, wie es sich für sie selbst gut anfühlt.
Selbstständige Frauen Schweiz ist eine Plattform, die Frauen bei ihrer Selbstständigkeit unterstützt.