Die Regisseurin von Die göttliche Ordnung, Petra Volpe, greift in ihrem neuen Film ein hochaktuelles Thema auf: Der Mangel an Pflegekräften in Schweizer Spitälern.
Der Film nimmt das Kinopublikum mit durch eine Schicht von Floria Lind, die als Pflegefachfrau in einem Spital tätig ist. Als sie ihre Spätschicht antritt, fällt auf der voll belegten und unterbesetzten Station wieder einmal eine Kollegin aus. Somit ist sie allein für zwölf Patient*innen verantwortlich. Leider stellt das ein realistisches Szenario dar, wenn in der Pflege Personal ausfällt.
Trotz Vollbelegung auf der Station und dadurch viel zu wenig Zeit pro Patient*in, umsorgt Floria kranke Menschen routiniert und professionell. Aber sie muss ständig neu priorisieren, um ihre Zeit einzuteilen und immer wieder auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren. Das erzeugt auch beim Filmpublikum Stress. Stellenweise ist es kaum auszuhalten, womit sich Floria während ihrer Schicht alles herumschlagen muss. Beispielsweise dann, als sie in aller Hektik auch noch die skurrilen Extrawünsche eines unmöglichen Privatpatienten erfüllen muss, der darüber hinaus noch die Zeit stoppt, bis sein Auftrag erfüllt wird. Floria versucht dabei stets freundlich zu bleiben und ihm die Ausnahmesituation zu erklären, worauf sie aber auf Unverständnis stösst.
Floria wird grandios gespielt von Leonie Benesch. Sie lässt einen atemlos verfolgen, wie eine Pflegefachfrau ihren Alltag mit professionellen Handgriffen meistert, sich in gewissen Situationen Zeit nimmt, die sie nicht hat und den Patient*innen mit viel Empathie entgegentritt. Ich denke dabei an eine berührende Szene im Film, in der Floria eine demenzkranke Frau tröstet, die nach einem Anruf einer Angehörigen völlig aufgelöst ist und sich nur dank eines gemeinsam gesungenen Liedes beruhigen lässt. Berührend ist diese Szene deshalb, weil Floria dafür eigentlich keine Zeit hat und dennoch empathisch und menschlich auf die Patientin reagiert.
Der Film zeigt sehr realistisch auf, welche Auswirkungen der ganz normale Berufsalltag für die Pflegefachkräfte hat: chronisch überlastet und am Anschlag. Der Film kommt seines Tempos wegen fast wie ein Thriller daher, die Spannung ist hoch und es ist belastend zuzusehen, wie Floria auf weiter Strecke auf sich allein gestellt ist. Der Film wirkt sehr realistisch, was auch Expert*innen bestätigen. Das ist kein Zufall: Eine Pflegefachfrau stand der Filmcrew am Set zur Seite und sorgte dafür, dass die Ereignisse im Spital auch realistisch dargestellt werden.
Im Abspann des Films heisst es, dass in der Schweiz bis 2030 gegen 20'000 Pflegekräfte fehlen werden. Zudem verlässt mehr als ein Drittel der ausgebildeten Pflegekräfte den Beruf in den ersten vier Arbeitsjahren wieder. Das ist ein riesiges strukturelles Problem. Allerdings kein rein schweizerisches, sondern ein globales, das sich immer weiter zuspitzt. Die WHO schätzt, dass bis 2030 weltweit geschätzte 18 Millionen Fachkräfte fehlen werden.
Eine Zeitlang schien es so, als hätte die Bevölkerung und die Politik das Problem des Fachkräftemangels im Gesundheitsbereich erkannt. Während der Covidzeit rückte die Thematik in den Vordergrund und die Menschen applaudierten den Pflegefachpersonen täglich vom Balkon aus. In der Schweiz wurde im November 2021 die Pflegeinitiative an der Urne eher überraschend angenommen. Ihr Ziel ist es, für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege zu sorgen, die Menschen länger im Beruf halten, eine Ausbildungsoffensive im Bereich der Pflege zu starten und weitere Massnahmen einzuführen. Seit ihrer Annahme ist aber leider wenig passiert, die Umsetzung verläuft schleppend. Es lässt sich ganz klar sagen: Das hiesige Pflegesystem ist am Limit, es muss sich dringend etwas ändern. Applaus ist gut, faire Bezahlung besser und vor allem ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen dringend notwendig, um den drohenden Pflegenotstand abzuwenden. Der Film «Heldin» ist eine Hommage an das Pflegepersonal und macht deutlich, dass wir alle auf eine gute Betreuung angewiesen sind.
Text von Laura Schwab, sie ist Autorin bei Geschlechtergerechter.
9.4.2025