Die Serie beginnt mit der Flucht von Griselda Blanco aus Medellín. Nachdem sie auf Befehl ihres Ehemanns von dessen Bruder vergewaltigt wird, erschiesst sie ihren Ehemann, und flieht mit ihren drei Söhnen und einem Kilogramm Kokain nach Miami. Gleich zu Beginn ist die Verzweiflung Griseldas spürbar. Griselda Blanco glüht vor Wut und Frust. Wie kann sie in einer neuen Stadt Fuss fassen, Geld verdienen und sich um ihre drei Söhne kümmern? Man verbündet sich zu Beginn schon fast mit ihr.
Die vermeintliche Feministin
«One woman is behind all this»
Die Glorifizierung von Gewalt und der lateinamerikanischen Drogenszene in Serien wie La Reina del Sur, El Chapo, The Mule und Narcos sind in Hollywood bereits lange ein beliebtes Genre. Dem steuert auch die Serie Griselda bei.
Griselda wird als Anti-Heldin dargestellt, indem sie Sexarbeiterinnen aus der Prostitution holt oder kubanische Immigranten (auch Marielitos genannt), welche 1980 in die USA einreisten und Griselda als Heilige verehrten, für sich arbeiten lässt. Sie spricht zu denen, welche von der Gesellschaft üblicherweise ignoriert oder im Stich gelassen werden. Ähnlich wie Pablo Escobar, gibt Griselda ihren Angestellten Wohlstand und ein Community-Gefühl, und begründet es mit ihrem «mütterlichen» Gefühl, sich um «ihre Leute» sorgen zu wollen. Durch den Fokus auf Griselda als Mutter wird ihr sogenannter fürsorglicher Mutterinstinkt romantisiert, welcher eine Rechtfertigung für all ihre Handlungen zu sein scheint.
Latinidad in der Filmindustrie
Der exzellent gewählte Cast ist durchaus passend und verleiht den Charakteren eine emotionale Tiefe. Dass die Darsteller*innen der Serie kolumbianischer oder anderer lateinamerikanischen Abstammung sind, trägt zur Authentizität der Serie bei. So wird in der Serie zwischen Spanisch, in seinen unterschiedlichen Dialekten, und Englisch gesprochen. Regisseur Andrés Baiz hat in der Produktion auch ganz bewusst nicht mit einem «Gelbfilter» gearbeitet, welche bis heute bei Filmen im oder über den globalen Süden genutzt wird, um die Stereotypisierung der sogenannten Unterentwicklung zu schüren. Die Bemühungen zur inklusiveren Repräsentation und Authentizität sind wichtig, dennoch bleibt der Effekt des «othering» leider nicht aus. Mit der Serie werden weiterhin negative Stereotypen über Lateinamerika aufrechterhalten. Dies insbesondere im Fall von Kolumbien, welches trotz seiner Vielfältigkeit weiterhin nur mit Kartellen, Drogenhandel und Prostitution in Verbindung gebracht wird.
Die vermeintliche Feministin
Die Serie konstruiert ein «Girlboss»-Gerüst rund um Griselda, um sie vor entsprechender Rechenschaftspflicht zu schützen. Vielleicht wurde solch ein Narrativ auch bewusst umgesetzt, um ein entsprechendes Publikum anzuziehen? Griselda nutzt das Patriarchat zu ihrem Vorteil, indem sie davon profitiert, um sich noch weiter an die Spitze zu bringen, statt es zum Fall zu bringen. Denn sie «schafft» es: Griselda Blanco, eine ungebildete und mittellose Frau aus Kolumbien wird in den USA zur Milliardärin in einer männerdominierten Industrie.
Doch, dass Griselda in einem patriarchalen Umfeld eine Machtposition innehält, heisst noch lange nicht, dass diese mit feministischen Grundsätzen übereinstimmt. Die Serie versucht, den Zuschauer*innen einen vermeintlich feministischen Blickwinkel auf die ganze Drogenszene zu verkaufen, welcher für mich nicht aufgeht. Somit portraitiert Griselda für mich keine Feministin, sondern veranschaulicht lediglich, was Macht und Wut mit einer Person machen können.
Griselda Blanco gab es wirklich, sie und ist keine Netflix-Erfindung. Die sogenannte Madrina (dt. die Die Patin) war eine eiskalte Psychopatin, was in der Serie aber deutlich zu kurz, beziehungsweise zu spät vorkommt. Es dauert einige Episoden, bis Griselda zum ersten Mal selbst gewalttätig wird und skrupellos mordet. Sie wird aber dennoch immer wieder als leidende Person gezeigt, welche mit zittrigen Händen und schlechtem Gewissen den Toten nachtrauert. Die Filmemachende versuchten, sie zu vermenschlichen und zugänglicher zu portraitieren. Doch Griselda Blanco ging eigentlich durch ihre Kaltblütigkeit in die Geschichte ein.
Geschlechternormen brechen!
Obwohl Griselda historisch keine wahrheitsgetreue Erzählung ist und für die Produktion einige Details angepasst wurden, handelt es sich um eine Serie, welche Geschlechtervorstellungen durchaus zu brechen versucht. Normalerweise werden Frauen überwiegend als Opfer von Gewalt konstruiert, beispielsweise durch die Viktimisierung bei Vergewaltigungen. Aufgrund ihrer Weiblichkeit werden Frauen oftmals mit Frieden und Harmonie in Verbindung gebracht, wodurch ihnen Macht und Gewalt abgesprochen und ihre Aussagen abgewertet werden. Dies führt dazu, dass Weiblichkeit und Gewalt meist als unvereinbar angesehen werden, weil sie nicht den akzeptieren Normen der Weiblichkeit entsprechen. Griselda zeigt durch ein bahnbrechendes anderes Narrativ auf, dass Frauen durchaus mit Gewalt in Verbindung verbracht werden können. Statt Frauen immer als unschuldig und friedlich zu framen, kann ihnen – wie im Falle Griseldas – durchaus gewalttätiges Verhalten vorgeworden werden werden.
Nun eine Frage an Dich: Ist dir der sogenannte «Gelbfilter» in Serien schon mal aufgefallen? Wenn nicht, animiere ich dich dazu, dich beim nächsten Mal darauf zu achten.
Klicke hier für den Trailer.