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Amerikanische Männerphantasie

Yellowstone ist eine amerikanische Neowesternserie. Eine Dystopie der USA in fünf Staffeln: gewalttätig, hoffnungslos, aber eindrucksvoll und unterhaltend inszeniert.

„Was, Du schaust diese Redneck-Saga für Trumpfans?“ fragte mich eine Freundin entgeistert, als sie auf meinem Bildschirm John Dutton, gespielt von Kevin Costner, entdeckte, der gerade mal wieder wild um sich ballerte.

Ich fühlte mich ertappt, als ob ich am Küchentisch eine Pornoseite mit Ton angeschaut hätte. Dennoch gelang es mir nicht, mich dem Sog dieser Serie zu entziehen.

Im Diskurs der politischen Rechten wird seit Jahren immer wieder darüber geredet, den Staat auszuhebeln. Viele glauben mittlerweile im Ernst, dass die Welt ohne demokratische Institutionen eine bessere sein könnte. Mir war aber nie klar, wie ein solcher Ort denn genau aussehen würde, bis ich zufällig und aus purer Langeweile während einer Erkältung in die erste Folge von Yellowstone zappte.

Die grösste Ranch der Welt gegen den Fortschritt verteidigen

Die Serie erzählt die Geschichte eines Witwers namens John Dutton. Er ist der Besitzer der grössten Farm der USA, seine riesigen Ländereien überfliegt er mit dem Helikopter. Auf den riesigen Ländereien wächst allerdings nichts ausser etwas Gras und das einzige, was darauf produziert werden kann, ist Rindfleisch. Weil der Besitz einer so grossen Farm Neid und Missgunst auslöst, wird Dutton fünf Staffeln lang von Feinden bedrängt, die er und seine Familie mit Hilfe der Cowboys der Farm vornehmlich mit Schüssen aus eigenen Waffen gleich selbst zur Strecke bringen.

Die Rolle des John Dutton wurde Kevin Costner auf den Leib geschrieben. In Yellowstone tanzt er zwar nicht mit dem Wolf wie 1991, aber auch hier wird ein inzwischen längst totgeglaubtes Genre, nämlich der Western, als Identifikationsform für die USA unglaublich gut wiederbelebt. Was am Ende zurückbleibt, ist Wehmut.

Nationalpark der Männlichkeit

In Yellowstone gibt es unzählige Schiessereien. Einige werden nachts auf Pferderücken ausgetragen wie in einem alten Western, andere sind mehr oder weniger gut vorbereitete kaltblütige Morde. Sie bleiben alle immer ohne jegliches juristische Nachspiel.

Die Serie ist stylisch inszenziert, die Boys tragen Caps, coole Jeans, steife Baumwolljacken mit hochgestellten Kragen und gebügelte Karohemden in allen Variationen. Ästhetisch kommt Yellowstone wie eine Endloswerbung für Marlboro daher. Nur dass ausser Beth, der Tochter von John Dutton, die eine alkoholsüchtige, exzentrische und gewalttätige Hedgefonds Managerin ist, niemand raucht.

Die Cowboys dienen nicht zur Zigarettenwerbung, sie stehen für eine besondere amerikanische Männlichkeit. Und die ist etwa so anachronistisch wie unsere Trychler. Die Cowboys bilden die Gesellschaft der Guten. Sie sind die Traditionalisten, die gegen die moderne Welt kämpfen. Der Kern dieser Gesellschaft ist nicht die Familie Dutton, die hoch dysfunktional ist, sondern die Cowboys der Farm, die in einem Bunkhouse kollektiv wohnen. Diese sind handverlesen von der Dutton Family und waren zumeist schon im Gefängnis oder stammen aus gewalttätigen Familien. Hier ist die Dutton Farm also ganz Hillibilly Elegy, allerdings ohne die räsonierende Grossmutter und das unausrottbare Drogenelend. Die Cowboys verkörpern Hoffnung. Sie sind das Volk der Dutton Ranch, die loyalsten werden wie Vieh mit dem Brandeisen auf der Brust gebrandet. Die Jungs finden auf der Farm eine hierarchische Gesellschaft und eine Ordnung vor, die sie kennen. Auf der Farm ist nicht die Herkunft oder die eigene Geschichte für die Zugehörigkeit zur Gruppe ausschlaggebend, sondern ihre absolute Loyalität und der Wille, alle zu zerstören, die sich als Feinde der Farm erweisen. Die Cowboys sind die Söldner einer untergehenden Welt. Ihr hoffnungsloser Kampf wird endlos inszeniert und visuell erhöht.

Ihr Umgang mit seelischen Traumata ist rau und nicht verständnisorientiert. Man glaubt daran, dass sie durch Arbeit, ein geordnetes Leben und durch die straffen Strukturen der Farm von selbst verschwinden.

Ästhetischer, länger und eingängiger wurde der Untergang einer hoffnungslos veralteten Männlichkeit selten inszeniert.

Diese simple Geschichte ist nicht nur gut aufgemacht, sie findet auch ihr Publikum. Die erste Folge der fünften Staffel von Yellowstone wurde in den USA von 12,5 Millionen Menschen gesehen. Yellowstone läuft aktuell auf Netflix und Sky Show.

Lynn Blattmann engagiert sich von Beginn an als Autorin und Vorstandsmitglied für Geschlechtergerechter.

28.03.2025