«Das Recht zu kicken» beleuchtet die wenig bekannte Geschichte des Schweizer Frauenfussballs – von frühen Verboten bis zu bestehenden Ungleichheiten. Die beiden Autorinnen Marianne Meier und Monika Hofmann zeichnen in ihrem Buch die Geschichte des Frauenfussballs in der Schweiz lebendig und authentisch nach – von den Anfängen bis zur Gegenwart. Sie erzählen von widerständigen Frauen, die einfach nur Fussball spielen wollten. Die im Buch geschilderten Erfahrungen von elf Frauen aus dem Frauenfussball sind teilweise erschütternd und dokumentieren die zahlreichen Hindernisse, die überwunden werden mussten. Es ist ein Buch voller Mut, Widerstand und vergessener Pionierinnen. Begleitet wird es vom Podcast «Fussballpionierinnen». Darin kommen einige der im Buch porträtierten Frauen ausführlich zu Wort.

Frauen kicken
Anfangs stand den Spielerinnen nichts mehr als die örtliche Hundewiese zum Training zur Verfügung.
So steht zum Beispiel eine Anekdote aus dem basellandschaftlichen Therwil sinnbildlich für die anfängliche Behandlung des Frauenfussballs in der Schweiz: Zuerst mussten die Spielerinnen den Hundekot vom Rasen entfernen – denn mehr als die örtliche Hundewiese stand ihnen für das Training nicht zur Verfügung. Beschwerden waren keine Option, denn wer protestierte, riskierte ganz ohne Trainingsplatz dazustehen. Kaum vorstellbar und doch bittere Realität im Frauenfussball vergangener Jahrzehnte. Zwar haben sich die Bedingungen seither verbessert, doch viele Ungleichheiten bestehen fort – sichtbar und unsichtbar.
Dass der Kampf um Gleichberechtigung im Sport längst nicht abgeschlossen ist, zeigt beispielsweise die Frage, wie Elternschaft und Spitzensport vereinbart werden können. Ramona Bachmann, frischgebackene Mutter und langjährige Nationalspielerin, forderte für Sportler*innen mit Kleinkindern bessere Bedingungen – und stiess damit beim Schweizerischen Fussball Verband SFV zunächst auf Widerstand. Inzwischen kam der SFV den Forderungen nach: Ab der UEFA Women’s EURO 2025 gelten neue Richtlinien für die Nationalteams, die sicherstellen sollen, dass Spieler*innen bei grossen Turnieren besser unterstützt werden. Geplant sind unter anderem Betreuungsangebote und familienfreundliche Strukturen. Ein längst überfälliger Schritt – angestossen von einer Spielerin, die nicht nur auf dem Platz, sondern auch abseits davon Pionierinnenarbeit leistet.
Die Autorinnen von «Das Recht zu kicken» wollten verstehen, wie die bis heute bestehenden Ungleichheiten im Fussball entstanden sind und gingen dieser Frage vertieft nach. Denn noch immer geniesst der Frauenfussball nicht denselben Stellenwert wie der Männerfussball.
Die Geschichte des Frauenfussballs beginnt in der Schweiz in den 1920er-Jahren. Die ersten Frauen, die Fussball spielten, gehörten zur gesellschaftlichen Oberschicht und waren unverheiratet. Ein bedeutender Unterschied zum Männerfussball, der seinen Anfang als Sport der Arbeiterklasse nahm.
In vielen Ländern galt allerdings lange Zeit ein Fussballverbot für Frauen, das häufig bereits in den 1920er-Jahren eingeführt wurde. In England war Fussball für Frauen zwischen 1921 und 1971 verboten. In Deutschland galt das Verbot zwischen 1955 und 1970. Die Verbote standen im Einklang mit der Haltung der FIFA und UEFA, Frauen vom Fussball abzuhalten. Ab den 1950er-Jahren schlossen sich Frauenteams eigenständig zusammen, was von den amtierenden Funktionären des Männerfussballs nicht unkommentiert blieb. Sinnbildlich steht nachfolgendes Zitat: «Es geht ein Gespenst um in Europa – das Gespenst des Frauenfussballs.» Mit diesen Worten beschrieb Hans Bangerter, UEFA-Generalsekretär von 1960 bis 1988, die aufkommende Bewegung des Frauenfussballs in einem Brief an die Mitgliedsverbände. Was wie ein Scherz klingt, war in den 1970er-Jahren Ausdruck einer tiefsitzenden Abwehrhaltung. Dennoch begannen die UEFA und die FIFA die Fussballerinnen in die Landesverbände zu integrieren, um aufkommenden Parallelstrukturen Einhalt zu gebieten. Die Integration des Frauenfussballs in die offiziellen Strukturen erfolgte aber weniger aus Überzeugung, denn aus dem Wunsch nach Kontrolle über die kickenden Frauen. Diese erste Angliederung an die Verbände erfolgte 1970, die vollständige Integration jedoch erst 1993. Es war ein machtpolitisches Kalkül – kein Fortschritt im Sinne der Gleichstellung.
Es sei gegen die Natur von Frauen, Fussball zu spielen und zudem würden sie dabei unfruchtbar, so der damalige Tenor. In der Schweiz wurde zwar nie ein offizielles Fussballverbot verhängt, doch faktisch gab es eines. Dies zeigt der Fall von Madeleine Boll exemplarisch auf: Sie war die erste lizensierte Fussballerin der Schweiz und erhielt 1965 als 12-Jährige eine Fussballlizenz. Das jedoch nur, weil sie für einen Jungen gehalten wurde! Als dies aufflog, entzog ihr der Schweizerische Fussballverband die Lizenz sofort wieder. Als Trost schenkte ihr der Verband einen Holzteller. Ihr und den nachfolgenden Mädchen, die sich um eine Fussballlizenz bewarben, bot man an, Schiedsrichterinnen zu werden, da bereits damals ein entsprechender Mangel herrschte.
Ein markanter Meilenstein ereignete sich 1970, als sich das erste Schweizer Frauennationalteam formierte. Noch im selben Jahr nahm es an der ersten inoffiziellen Weltmeisterschaft des Frauenfussballs in Italien teil. Inoffiziell deshalb, weil das Turnier nicht von der FIFA organisiert wurde. Während die Spielerinnen auf dem Platz Geschichte schrieben, wurde ihr sportliches Engagement auf Verbandsebene weiterhin misstrauisch beäugt – teils gar als Bedrohung empfunden.
Mit „Maddli“, einem Bernhardinerwelpen als offizielles Maskottchen der Women’s EURO 2025 zollt man in diesem Jahr Madeleine Boll Tribut. Der Name des Maskottchens ist eine Hommage an die Pionierin Madeleine Boll, deren Einsatz den Weg für Generationen von Schweizer Fussballerinnen ebnete. Diese Ehrung zeigt, wie weit der Frauenfussball heute in der öffentlichen Wahrnehmung gekommen ist – und doch wirft ein Blick in die Vergangenheit ein Schlaglicht auf die tief verwurzelten Widerstände, gegen die die Pionierinnen einst ankämpfen mussten.
Der Begriff «EURO» bleibt dem Männerturnier vorbehalten.
Das kommende Heimturnier wird unter dem Titel «Women’s EURO 2025», kurz «WEURO» – eine offizielle Bezeichnung der FIFA - vermarktet. Logisch weitergedacht, müsste das Pendant der Männer demnach «MEURO» heissen. Doch der Begriff «EURO» bleibt dem Männerturnier vorbehalten. Ein weiteres Beispiel dafür, wie der Männerfussball nach wie vor die Norm setzt, während Frauenfussball einer expliziten Markierung bedarf. Fussball meint Männer – Frauenfussball bleibt die davon abweichende Kategorie, wie im Podcast «Steilpass – Frauenfussball mit Sarah Akanji» eingehend dargelegt wird.
Ein bemerkenswerter Fakt zum Schluss: Die erste Schweizerin, die 1970 im Nationalteam auflaufen durfte, hatte noch kein Stimm- und Wahlrecht. Fussball auf höchstem Niveau war in der Schweiz möglich, aber ohne politisches Mitspracherecht!
Das Buch ist auf Deutsch und Französisch («Droit au but») im Hier und Jetzt Verlag erschienen.
Text von Laura Schwab. Sie ist Autorin bei Geschlechtergerechter.
Foto: Staatsarchiv Aargau, Ringier Bildarchiv, Aarau.
Zu den Autorinnen von «Das Recht zu kicken»:
Marianne Meier ist promovierte Historikerin und Sportpädagogin. Sie forscht am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern (IZFG) zu Geschichte, Sport und Gender Studies. Bereits 2004 veröffentlichte sie das Buch «Zarte Füsschen am harten Leder».
Monika Hofmann ist Literaturwissenschaftlerin und Geschlechterforscherin, ebenfalls am IZFG tätig. 2020 wirkte sie an der Publikation «Vorbild und Vorurteil – Lesbische Spitzensportlerinnen erzählen» mit. Auch bei der Buchproduktion von «Das Recht zu kicken» mussten die Autorinnen Hürden überwinden. Die Finanzierung war eine grosse Herausforderung und geschah unter erheblichem Zeitdruck, um die Veröffentlichung noch vor dem Turnierstart Anfang Juli zu ermöglichen. Besonders wichtig war den Autorinnen auch eine französischsprachige Ausgabe, um die Geschichte des Schweizer Frauenfussballs gesamtschweizerisch zugänglich zu machen. Die Übersetzung brachte zusätzlichen Aufwand – und Kosten. Auch damit leisten Meier und Hofmann Pionierinnenarbeit: Sie schaffen Öffentlichkeit für ein Thema, das lange ignoriert wurde.
01.07.2025