Auf Mareice Kaiser und ihr Buch bin ich durch ein Interview von Naomi Gregoris in der WOZ gestossen. Die Autorin nimmt uns in ihrem Buch «Alles inklusive - Aus dem Leben mit meiner behinderten Tochter» mit in ihr Leben und das Muttersein mit einem mehrfach behinderten Kind. In der 36. Schwangerschaftswoche bemerkt der Gynäkologe bei einem Kontrolltermin, dass das Baby in ihrem Bauch etwas klein sei und schickt sie zu weiteren Untersuchungen ins Spital. Alles unauffällig. Im Spital stellt sich heraus, dass das Baby in wenig Fruchtwasser liegt, die Geburt muss schliesslich eingeleitet werden. Nach der Geburt wird der Autorin das Baby sofort weggenommen. Eine Stunde später erfahren die Eltern von «mehreren Fehlbildungen». Die ersten vier Wochen nach der Geburt ihrer Tochter leben sie und ihr Mann im Spital bei ihrem Kind, ehe sie sie endlich mit nach Hause nehmen können.
Damit beginnt für Mareice Kaiser ein neues Leben zwischen Ängsten, Unsicherheiten und dem Gefühl allein gelassen zu werden. Die Diagnose, die die Eltern irgendwann erhalten, lautet auf einen sehr selten auftretenden vererblichen chromosomalen Defekt. Sie berichtet eindrücklich über die grossen Ängste als Eltern um ihr Kind, das nicht ernst genommen werden in Spitälern oder dumme Fragen im Bekanntenkreis. Kaiser berichtet aber auch über viele schöne Momente mit ihrer Tochter.
Die weiteren Kapitel beschreiben Eltern, die an die Grenzen ihrer Kraft stossen, bis Kaisers Mann im Spital nach der Nichtbehandlung ihrer Tochter ausrastet und die gesamte Familie mit einem polizeilichen Hausverbot belegt wird. Er landet in der psychischen Notfallaufnahme. Als Leserin spüre ich die Verzweiflung und Ohnmacht der Eltern und kann mir nicht vorstellen, wie schwierig es sein muss sich so allein zu fühlen. Die bürokratischen Hürden gleichen einem Spiessrutenlauf und Kaiser muss immer wieder Urteile anfechten und sogenannte Widersprüche verfassen, um beispielsweise die Kosten für eine Physiotherapie ihrer Tochter zurückzuerhalten. Man stelle sich nur einmal vor, wie es Menschen ergeht, welche die Behördensprache nicht verstehen und daher nicht in der Lage sind diese Bürokratie zu bewältigen, währenddessen sie den Pflegealltag eines schwerbehinderten Kindes bewältigen.
Kaiser und ihr Mann teilen sich die Care-Arbeit auf. Zu Beginn und während der ersten Jahre ihrer Tochter sind sie beide zuhause und kümmern sich um die Tochter, die viel Pflege benötigt. Kaiser erzählt vom langen steinigen Weg zurück ins Leben der Erwerbsarbeit nach drei Jahren rund um die Uhr Care-Arbeit Zuhause.