Die Schweiz ist zwar nicht gerade das Mutterland der Toleranz, aber die Vielfalt der Meinungen und Kulturen prägt unsere politische Praxis seit langem. Auch wenn die Konsensfindung bereits seit vielen Jahrzehnten äusserst mühsam und aufreibend ist, glauben wir immer noch daran, dass es sich lohnt, aufeinander zuzugehen. Wir wissen, dass Konkordanz wichtig ist, und dass dazu alle Seiten dogmatisch etwas locker, mit anderen Worten etwas tolerant sein müssen.
Toleranz ist nicht die noble, abgehobene Haltung der BesserwisserInnen, sondern sie ist das Ergebnis einer Reibung, einer Auseinandersetzung, einer Findung, meist ist der gefundene Kompromiss weniger moralisch erhaben als die ursprüngliche Haltung der beteiligten Parteien. Das Federnlassen gehört also quasi zum Geschäft.
In letzter Zeit kamen wir auch in unserem Land punkto Toleranz etwas aus der Übung. Polarisierungen wirkten auf viele politische Strömungen und Weltanschauungen sexier als das mühsame Brückenbauen und die Kompromissfindung.
Wir von Geschlechtergerechter glauben aber an die Toleranz. Denn nur indem wir unsere Weltbilder und Meinungen manchmal etwas dehnen oder anderen anpassen, kommen wir weiter. Es ist nicht die Macht der Stärkeren gegen die Ohnmacht der Marginalisierten, die uns voranbringt, sondern die Konfrontation mit dem Anderen, die Zumutung dessen, was ausserhalb unserer Bubble gedacht und gefühlt wird. Die Anerkennung anderer Lebensrealitäten, das Loslassenkönnen vermeintlicher unverrückbarer Positionen.
Wann haben Sie zum letzten Mal ihre Meinung geändert?
Manchmal gelingt es jemanden zu überzeugen. Dazu braucht es aber vorab einen Austausch der Argumente, zwei, die sich in einer Sache nicht einig sind, müssen einander zuhören können und einander respektieren. Sie müssen Verständnis aufbringen für die jeweils andere Lebenswelt und für ihre divergierenden Überzeugungen.
Dies gelingt nur, wenn ein gewisses Grundvertrauen da ist. Und dieses Grundvertrauen fusst auf Toleranz.
Darum liessen wir 2024 Sotomo die Hintergründe der Toleranz in der Schweiz mit einer genauen Befragung untersuchen. Die Ergebnisse kommen demnächst.