Toleranz meinungsfreiheit kv ld Aus der Redaktion – Blog

Lauter, fieser, bedrohlicher

Wenn Positionen extremer und die Grenzen der Toleranz enger werden

Toleranz und Meinungsfreiheit werden in der Schweiz hochgehalten. Für neun von zehn Personen ist Toleranz wichtig – fast ebenso viele geben an, ihre Meinung frei äussern zu können. Im eigenen Alltag sieht es bei vielen aber ganz anders aus: Rund ein Drittel der Schweizer:innen begegnet wöchentlich Intoleranz, eine von fünf Personen wurde schon wegen «inakzeptabler Aussagen» gecancelt.

Doch wo verlaufen die Grenzen des Sagbaren? Was muss eine offene Gesellschaft aushalten können – und wann ist Toleranz fehl am Platz? Der Philosoph Karl Popper machte einst klar: Eine Gesellschaft, die sich der Offenheit verschreibt, darf Intoleranz nicht tatenlos zusehen (Popper, 1945). Denn Toleranz endet dort, wo Hass und Diskriminierung beginnen. Dasselbe gilt für die Meinungsfreiheit – sie findet ihre Grenze dann, wenn die persönlichen Rechte anderer verletzt werden.

Ein Blick in unsere aktuelle #geschlechtergererchter Toleranzstudie zeigt jedoch, dass das Verständnis von Toleranz und Meinungsfreiheit stark politisch gefärbt ist. Während linke Milieus unter Toleranz die Akzeptanz vielfältiger Lebensentwürfe, Kulturen und sexueller Orientierungen verstehen, steht der Begriff für viele Menschen im rechten Spektrum dafür, politisch Andersdenkende nicht mundtot zu machen. Denn was die einen als notwendigen Einsatz für Gleichstellung und Inklusion sehen, empfinden die anderen als Bevormundung oder Einschränkung der eigenen Meinungsfreiheit.

Beide Seiten fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt – die einen durch eine «Cancel Culture», die anderen durch diskriminierende Aussagen, die sich hinter Meinungsfreiheit verstecken

Die Fronten sind daher verhärtet: Während Rechte den Linken Intoleranz gegenüber konservativen Meinungen vorwerfen, sehen sich Linke durch rechte Positionen in ihrem Einsatz für eine offene Gesellschaft bedroht. Beide Seiten fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt – die einen durch eine «Cancel Culture», die anderen durch diskriminierende Aussagen, die sich hinter Meinungsfreiheit verstecken. Tatsächlich zeigen unsere Daten, dass im rechten Milieu gewisse Haltungen auf Akzeptanz stossen, die die Mehrheit der Bevölkerung als inakzeptabel empfindet. Umgekehrt kann der Versuch, die Grenzen des Akzeptablen immer enger zu ziehen, als Angriff auf die Meinungsfreiheit verstanden werden.

Werden politische Ansichten tatsächlich immer extremer und die Grenzen der Toleranz immer enger? Dem gehen wir an unserer Veranstaltung «Toleranz und Meinungsfreiheit – ein Widerspruch?» auf den Grund. Gemeinsam mit Sophie Achermann (Public Discourse Foundation), Christina Bachmann-Roth (Präsidentin Mitte Frauen Schweiz) und Ivo Scherrer (Pro Futuris) diskutieren wir, wie es um diese zentralen Werte in der Schweiz steht. Wir stellen euch die spannendsten Ergebnisse unserer Toleranzstudie vor – und laden euch ein, mitzudiskutieren, zuzuhören, Fragen zu stellen und die eigenen Grenzen auszuloten. Offen. Neugierig. Respektvoll.

Lisa Frisch und Sarah Bütikofer aus der Redaktion von Geschlechtergerechter.


19.06.2025

Einladung toleranz und meinungsfreiheit

Geschlechtergerechter live im Impact Hub

Am 7. Juli ab 18 Uhr im Viaduktbogen D, Viaduktstrasse 93, 8005 Zürich.

Eintritt frei, Anmeldung erwünscht.

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