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Danke, Gisèle Pelicot! Und nicht nur die Schande muss die Seite wechseln.

Beginnen wir mit einer Analyse eines Marktes, auf dem Dienstleistungen angeboten und nachgefragt werden. Sehr auffällig ist auf diesem Markt, dass nur 4% der Dienstleister:innen Männer sind. Aufgrund der Berufsstatistik kann es sich hier fast nur um Kleinkindererziehung handeln – ein offenbar äusserst unattraktiver Bereich für Männer. Die noch unattraktivere Branche für männliche Dienstleister taucht in der offiziellen Statistik allerdings nicht auf: die Prostitution.

Entweder gibt es so wenig Nachfrage für männliche Prostitution und / oder Männer sind in der Lage zu vermeiden, sich auf dem Markt der Prostitution anzubieten.

Ebenso auffällig ist die Kundschaft auf diesem Markt, denn sie besteht fast ausschliesslich aus Männern, aus Freiern.

Die Prostitution taucht in der Berufsstatistik nicht auf.

Prostitution ist ein lukrativer Markt, mit Milliardenumsätzen, damit wird sehr viel Geld verdient. Auch hier gibt es eine Auffälligkeit: Von den Umsätzen bleibt nur ein geringer Teil bei den Frauen, die diese Dienstleistungen erbringen.

Nur schon diese nüchterne Beschreibung dieses oft unsichtbaren Marktes mit seinem Angebot, der Nachfrage und dem Profit zeigt, dass es sich hier um einen extrem ungleichen und auch ungerechten Markt handelt.

Doch es gibt auch in so dysfunktionalen Märkten wie der Prostitution Frauen, die für sich eine passende, lukrative Nische aufbauen können.

Faktisch ist es jedoch so:

  • Die Nachfrage der Freier ist gross. Schätzungen gehen davon aus, dass in der Schweiz 350'000 Männer mindestens einmal pro Jahr Freier sind.
  • Rund 85 Prozent der Prostituierten in der Schweiz sind Migrantinnen, die sich mehrheitlich aus Mangel an Alternativen oder aus finanzieller Not prostituieren. Oder schlimmer noch von Loverboys abhängig oder betroffen sind von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Freier nützen solche Notsituationen aus.
  • Zahlreiche Frauen erlitten vor der Prostitution persönliche Traumata wegen bereits erlebter sexualisierter Gewalt oder körperlicher Misshandlung.
  • Es gibt keine sichere Prostitution: Fast jede Prostituierte hat schon verschiedenste Formen von Übergriffen erlebt.
  • Prostitution verursacht gravierende gesundheitliche Folgeschäden.

Benennen wir deshalb, was Sache ist: Prostitution ist Ausbeutung. Wie kann es deshalb immer noch «normal» sein, dass sich Männer aufgrund ihrer Kaufkraft den Körper einer Frau kaufen, über ihn verfügen und dadurch auch Macht über Frauen ausüben können? Und dies im Wissen, dass sich diese Frauen mit einiger Wahrscheinlichkeit in einer prekären Lage befinden oder auch traumatisiert sind?

Weshalb akzeptieren wir einen Markt von einem solchen Ausmass, in dem andere Beteiligte auf Kosten der Dienstleisterinnen viel Geld verdienen? Was sagt es über die Geschlechtergerechtigkeit aus, dass ein solcher Markt überhaupt noch existiert?

Was auch noch auffällt: Prostitution ist stigmatisierend für die Dienstleister:innen, weniger für die Freier. Auch hier soll künftig gelten: Die Stigmatisierung muss die Seite wechseln.


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Die Frauenzentrale Zürich benennt hier die Hintergründe in einem Whitepaper. Prostitution in der Schweiz das Whitepaper der Frauenzentrale Zürich - Frauenzentrale Zuerich

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