Der weibliche Körper: Zwischen Privatheit und Bevormundung
Die Schweiz hat eine lange Tradition der liberalen Reproduktionspolitik. Es scheint, als ob Kinder- oder keine-Kinder-kriegen prinzipiell Privatsache sei. Beispielsweise beteiligt sich die Krankenkasse nicht an den Kosten von Verhütungsmitteln. Abtreibung wird erst seit der teilweisen Dekriminalisierung 2002 von der Krankenkasse übernommen und Kosten von frühen Fehlgeburten werden bis heute nicht als Teil der Mutterschaft von der Krankenkasse vergütet. Diese laissez-faire Politik zeigt sich auch durch subtiles nicht-Eingreifen, wie das beispielsweise bei Sterilisationen geschieht: Diese sind zwar legal, dennoch weisen viele Ärzte oder Ärztinnen Frauen mit diesem Anliegen ab. Das gilt insbesondere für junge Frauen. Somit wird diese Form von Verhütung bedeutend erschwert.
Seitens des Bundesrates und Staatsmedien klingt es ähnlich: Die kontrollierte Abgabe von Notfallverhütung diene der Sicherheit der Patientinnen. Die Aufsicht und Beratung seien gerechtfertigt, da Frauen eine ‘Hormonbombe’ verabreicht werde. Dies steht im Kontrast zum politischen Desinteresse gegenüber massenweisen Hormonabgaben in Form von Anti-Baby-Pillen an junge Frauen.
Dass die Abgabe der ‘Pille danach’ so streng reguliert ist, entlarvt die vermeintliche Privatheit der Schweizer Reproduktionspolitik: Wenn es nämlich tatsächlich Privatsache wäre, was Frauen mit ihrem Körper machen, wäre die ‘Pille danach’ frei erhältlich.
Ich bezweifle nicht, dass ein Gespräch in der Apotheke wertvoll sein kann. Aber muss es obligatorisch sein? Und wäre Beratung nicht viel früher, in einem anderen Rahmen, angebracht? Würden Jugendliche in Schweizer Schulen vollständig über den weiblichen Zyklus und Verhütungsmethoden lernen, wäre ein Beratungsgespräch hinfällig.