Zyklus Und Scham 13 2 Menstruation – Blog

Betriebssystem Menstruations-Zyklus

Rund 50% der Bevölkerung haben einen anderen Körperrhythmus als unser Standard-Norm Körper. Der Menstruationszyklus ist die normale Körperfunktion des Organs Uterus und beeinflusst unseren Alltag mehr als wir oft denken.

Die meisten unserer Alltagsstrukturen sind historisch gewachsen und richten sich am Standard-Körper Mann und dessen Funktionsweise aus. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist, dass der erste weibliche Crashtest-Dummy „Eva“ erst 2022 eingeführt wurde. Bis dahin wurde für die Simulation des Verhaltens eines weiblichen Körpers bei einem Autounfall, ein kleinerer, anatomisch inkongruenter Mann benutzt.

Viele Frauen wurden und werden, besonders in der Berufswelt männlich sozialisiert. Erfolgsmodelle und Strategien sind meistens von Männern und ihrer Erlebenswelt geprägt. Der Zyklus und ganz besonders die Menstruation wird von vielen Menschen in diesem Kontext eher als störend und als Makel bewertet, der Erfolg verhindert oder erschwert. Ich finde hier, tun wir einem wesentlichen Teil des Frauenkörpers unrecht.

Jahrhundertelang wurde der Zyklus von Frauen mit einer Menge an misogynen Abwertungen beladen. Das Buch „Krankheit Frau. Zur Geschichte der Einbildung“ von Esther Fischer-Homberger gibt einen Überblick über die Geschichte der Medizin von der Antike bis in die Neuzeit und es zeigt deutlich auf, wie wenig objektiv die Wissenschaft in diesem Bereich war. Sie diente eher zur Untermauerung des Zeitgeistes und dem Erhalt von patriarchalen Machtstrukturen als dazu, den Frauen wirklich zu helfen.

Und genau diese Geschichte hat einen massiven Einfluss auf unseren heutigen Alltag. Ich erlebe dass viele Frauen mit dem Thema Menstruation eine unangenehme Scham verbinden oder aufgrund von Schmerzen, fehlender Anerkennung und Hilfe eine Problem haben. Auch bei Männern wird das Thema oft lieber überspielt wird, als darüber zu reden. Ein Teil findet, es gehe sie ja gar nichts an, es sei halt ein Frauenthema und der andere Teil ist sich sehr wohl der Geschichte und der leidender Frauen bewusst und will auf keinen Fall etwas falsch machen.

Aber durch das Ausklammern, Wegschauen und aus dem Weg gehen, entgeht uns aus meiner Sicht eine grosse Chance um unsere Welt nachhaltig geschlechtergerechter zu gestalten. Hier folgend drei Perspektiven bzw. Zyklus-Ressourcen, die uns allen dienlich sein könnten.

Zyklus ist das Prinzip, das Leben schafft

Das Prinzip Zyklus zu verstehen und zu integrieren kann uns helfen, nachhaltig Veränderung zu schaffen. Wir müssen das, was wir haben, als Ausgangspunkt benutzen. Stellen Sie sich vor, ihre aktuelle Situation ist ein Prototyp für die Welt. Diesen entwickeln sie im Zeitraum von einem Monat weiter. In der ersten Woche recherchieren sie und entwickeln einen(!) Lösungsansatz - Zyklus: Aufbauphase. In der zweiten Woche gehen sie in Aktion und setzten ihren Plan in der Wirklichkeit um - Zyklus: Eisprung. In der dritten Woche analysieren sie und ernten die Weisheit aus ihrer Erfahrung - Zyklus: Abbauphase und in der vierten Woche regenerieren sie, lassen los was nicht mehr gebraucht ist und bereiten sich für eine neue Runde vor - Zyklus: Menstruation. In einem Jahr, können sie so 12 nachhaltige Veränderungen realisieren. Kennen sie ein anderes Erfolgsmodell mit den gleichen Aussichten?

Inklusion nachhaltig schaffen

Was sich in der Praxis bewährt, ist den Fokus auf die Bedürfnisse, der teilnehmenden Akteur:innen zu legen. Wenn wir anfangen die Zyklusbedürfnisse als Frau* und Gesellschaft einzufordern, müssen wir in irgend einer Form neue Varianten schaffen als nur die bisherige männliche Norm. Dadurch werden wir unsere Lebens-, Alltag- und Arbeitsräume und Gewohnheiten anders strukturieren und mitdenken, dass Menschen mit Uterus zyklisch sind. So ergeben sich inklusivere Modelle und Systeme die auch auf andere Bedürfnisse schneller adaptiert werden können, weil eine bedürfnisorientierte Grundstruktur schon da ist.

Patriarchale Muster schaden am Ende uns allen

Die Anti-Baby-Pille war ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte. Ich sehe die Pille allerdings heute sehr kritisch. Sie verspricht zwar Freiheit und Sicherheit, ihre Wirkweise ist aber durch und durch patriarchal. Die Verhütungspille unterdrückt den normalen Hormonkreislauf und übersteuert damit unseren Körper. Das ist ein massiver Eingriff und unterdrückt den Ausdruck von allen natürlichen zyklischen Ressourcen. Viele Frauen spüren dies und vor allem spüren sie sich selber nicht mehr. Wie auch, wenn der Körper hormonell geflutet wird. Ebenfalls sind diese künstlichen Hormone in unserem Abwasser- und Wasserkreislauf ein deutlicher Eingriff in das Ökosystem der Natur.

Der „Gender gap“ schliesst sich nicht, wenn wir den Zyklus weiter nur auf die Reproduktion reduzieren und patriarchale Denkstrukturen als Erfolg feiern. Hier sind wir als Gesellschaft aufgefordert, den Zyklus als Körperfunktion und Lebensrealität anzuerkennen und unsere bisherigen Erfolgsstrategien zu überprüfen.

Marina Portmann, ist Autorin bei Geschlechtergerechter, Künstlerin und beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Dimensionen der Menstruation. zyklusheldin.ch