Worklife

Reden über Teilzeit

Unsere Teilzeitstudie stösst auf grosses Echo. Das is kein Wunder, denn Geschlechtergerechtigkeit ist eng mit der Arbeit verbunden.

Die Schweiz ist in Europa hinter den Niederlanden absolute Spitzenreiterin punkto Teilzeit. 60% der Frauen und 18% der Männer arbeiten aktuell Teilzeit. Das ist eigentlich eine gute Nachricht, aber nicht nur: Denn einerseits weist der hohe Teilzeitanteil auf ein Wohlstandsphänomen hin, er hat aber auch mit unserer sehr speziellen Lohngeschichte zu tun. Nirgends auf der Welt gab es so viele Hausfrauen wie in der Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg. Damit Frauen in Mittelstandsfamilien nicht arbeiten mussten, sondern sich voll um die Kinder kümmern konnten, wurde der Ernährerlohn erfunden, also ein Lohn, der eine ganze Familie ernähren konnte.

Dieser wurde mit grosser Unterstützung der Gewerkschaften und der Arbeitgeber nach dem Zweiten Weltkrieg breit eingeführt, er umfasste praktisch alle (Männer-) Berufe mit einer Lehre. Was gut gemeint war, erwies sich jedoch für die Frauenerwerbsarbeit lange als Falle.

Das Ernährerlohnland Schweiz ist auch ein Teilzeitland, das ist kein Zufall

Lynn Blattmann

In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch vieles verändert. Heute ist es nicht mehr so einfach, eine ganze Familie von einem Lohn zu ernähren, aber die Löhne sind immer noch oft so hoch, dass mehr Frauen und Männer auch mit einem Teilzeitlohn ein komfortables Leben leben können. Nichts spricht gegen Verzicht. Wer sich ein Leben mit mehr Freizeit und weniger Lohn leisten kann, soll dies tun dürfen. Das ist eine private Entscheidung, die zu einem freien Leben gehört.

Dennoch wirft unsere Teilzeitstudie einige Fragen auf, die wir für uns beantworten sollten:

  • Warum bleibt die Teilzeitquote bei Frauen, die in einer Partnerschaft leben nach der Kinderphase etwa gleich hoch wie vorher?
  • Warum arbeiten viele kinderlose junge Frauen selbstverständlich Teilzeit?
  • Warum ist der Anteil der Teilzeitarbeit bei Männern, die in einer Partnerschaft ohne Kinder leben viel tiefer als bei ihren Partnerinnen?
  • Warum ist der Wunsch nach mehr Freizeit bei Frauen aller Altersgruppen grösser als bei Männern?


Könnte es sein, dass bei diesem Arbeitsverhalten immer noch die Vorstellung mitschwingt, dass letztlich die Männer stärker für den Lebensunterhalt in einer Partnerschaft zuständig sind als die Frauen?

Seit über hundert Jahren kämpft die Frauenbewegung dafür, dass die jungen Frauen die gleichen Ausbildungschancen haben wie die jungen Männer. Dieses Postulat ist mittlerweile erreicht, die Frauen haben punkto Ausbildung massiv aufgeholt. Wie kommt es denn, dass heute immer noch 2/3 aller Frauen in der Schweiz nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen? Mutterschaft allein kann hier nicht als Grund gelten.

Teilzeit

Teilzeitstudie von Sotomo, erschienen im Februar 2023 im Auftrag von #geschlechtergerechter.ch

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