Bundesratszimmer

Mütter und Bundesrat

Es ist unbestritten, dass ein Vater kleiner Kinder ein guter Bundesrat sein kann. Bei jungen Müttern sieht es anders aus. Besonders gross ist die Skepsis an der bürgerlichen Basis. Eine neue Umfrage von Sotomo zeigt aber auch: viele Grüne haben Vorbehalte, wenn es um Vereinbarkeit von Elternschaft und Bundesrat geht.

Als die Berner SP-Regierungsrätin Evi Allemann ihre Kandidatur für den Bundesrat bekannt gab, stellten ihr die Medienschaffenden sofort die Frage, ob das gehe, als Mutter zweier Kinder im Primarschulalter Bundesrätin zu sein. Es ist eine Frage, die einem Mann in einer ähnlichen Situation kaum gestellt würde. Noch heute wird die Vereinbarkeit des Elternseins mit einem zeitintensiven und anspruchsvollen Amt für Väter und für Mütter unterschiedlich beurteilt. Dies gilt nicht nur für Medienschaffende, sondern auch für Teile der Schweizer Bevölkerung.

Sotomo hat im Auftrag von Ringier vom 22. bis am 25. November 2022 eine Umfrage zu den «Ersatzwahlen für den Bundesrat» durchgeführt und dabei der Bevölkerung unter anderem auch die Frage nach der Vereinbarkeit gestellt. Die eine Hälfte der Befragten wurde nach der Vereinbarkeit des Bundesratsamtes mit Mutterschaftspflichten gefragt, die andere Hälfte nach der Vereinbarkeit mit Vaterschaftspflichten. Die beiden Fragen wurden getrennt befragt, damit sich die Antworten nicht gegenseitig beeinflussen.

Die Ergebnisse zeigen: Offensichtlich geht in den Köpfen der Schweizer Bevölkerung auch heute noch eine Vaterschaft besser einher mit einem verantwortungsvollen Job als eine Mutterschaft. 77 Prozent sind der Meinung, dass man als Vater kleiner Kinder das Amt als Bundesrat voll ausfüllen kann. Nur 56 Prozent finden, dass dies für Mütter kleiner Kinder machbar ist.

Mutter vater total

Vereinbarkeit von Mutterschaft und Vaterschaft mit Bundesratsamt
(«In den Medien war es ein Thema. Wie stehen Sie dazu: Kann eine Mutter / ein Vater von kleinen Kindern zugleich das Amt als Bundesrätin / Bundesrat voll ausfüllen?»)

Die Einschätzung der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Bundesratsamt ist enorm politisch. Je weiter rechts, desto grösser die Skepsis. Nur ein Drittel der SVP-Wählerschaft hält diese Tätigkeiten für vereinbar und auch bei den FDP-Wählenden ist es keine Mehrheit. Wenig überraschend sehen Befragte, die eher links wählen, die Vereinbarkeit einer Mutterschaft mit dem Bundesratsamt positiver. Unter Anhängern der Grünen sprechen sich insgesamt 87 Prozent für eine Vereinbarkeit aus, unter SP-Sympathisanten 82 Prozent. Was aber auffällt: Nur 51 Prozent der grünen Wählerschaft spricht sich mit einem klaren «Ja» für die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Bundesratsamt aus. Bei der SP-Basis sagen 72 Prozent klar «Ja».

Mutter partei

Vereinbarkeit von Mutterschaft mit Bundesratsamt – nach Parteipräferenz
(«In den Medien war es ein Thema. Wie stehen Sie dazu: Kann eine Mutter / ein Vater von kleinen Kindern zugleich das Amt als Bundesrätin / Bundesrat voll ausfüllen?»)

Die Frage nach der Vereinbarkeit des Amtes mit Vaterschaftspflichten ist deutlich weniger politisiert. Das Diagramm zweigt nur kleinere Unterschiede zwischen links und rechts. Dies zeigt einmal mehr: Frausein ist an sich politisch, Mannsein nicht.

Frausein ist politisch, Mannsein nicht.

Michael Hermann, Anna John
Vater partei gg

Vereinbarkeit von Vaterschaft mit Bundesratsamt – nach Parteipräferenz
(«In den Medien war es ein Thema. Wie stehen Sie dazu: Kann eine Mutter / ein Vater von kleinen Kindern zugleich das Amt als Bundesrätin / Bundesrat voll ausfüllen?»)

Was auffällt ist, dass mit 29 Prozent relativ viele Wählenden der Grünen das Vatersein von kleinen Kindern für nicht vereinbar halten mit dem Bundesratsmandat. Nur 13 Prozent der Grünen-Basis halten das Muttersein für nicht vereinbar. Sind die Grünen so progressiv, dass sie bei Vätern eine grössere Vereinnahmung durch familiäre Pflichten sehen als bei Müttern? Wohl kaum. Bei der Mutterschaftsfrage getrauen die Grünen sich als Teil des linken Lagers aber – auch angesichts der aktuellen Debatte – womöglich nicht, ihre kritische Haltung zur Vereinbarkeitsfrage direkt zu äussern, was sich in einem auffallend grossen Anteil an zögerlicher Zustimmung äusserte. Diese vermehrte Zurückhaltung bei Müttern und Väter gerade im Vergleich zur SP-Wählerschaft dürfe Ausdruck eines zwar egalitären, aber zugleich eher familienbezogenen Erwerbsmodells bei den Grünen sein. D.h. beide Elternteile arbeiten Teilzeit und haben entsprechend Zeit für die gemeinsame Kinderbetreuung.

Michael Hermann ist Gründer und Geschäftsleiter von Sotomo
Anna John ist Projektleiterin bei Sotomo