Es ist zum Haareraufen! Noch immer sind es die traditionellen Rollenbilder, die junge Frauen, zum Karriereverzicht, in die Teilzeitarbeit und in Frauenfächer treiben.
Rund 10'000 Studierende wurden befragt und die Antworten waren unangenehm: Es bestehen bei den Frauen viele traditionelle Familien- und Rollenbilder, aber wenige Ambitionen für wissenschaftliche Karrieren. Die Umfrage konnte keine signifikante Diskriminierung von Frauen feststellen, sondern nur ernüchternd vermerken, dass es besonders in den Frauenfächern nicht sehr viele Frauen gab, die eine berufliche Karriere mit Führungsfunktion anstrebten. Mit anderen Worten: Sehr viele Frauen wollen es so wie es ist.
Leaky Pipeline für Frauen
Dass auch in Frauenfächern kaum Frauen in Spitzenpositionen anzutreffen sind, nennt man leaky Pipeline. Erstaunlich ist aber, dass es nicht nur die bösen Männer oder systemische Diskriminierungen sind, die die Leitung nach oben perforieren, sondern in ziemlichem Ausmass sogar die Frauen selbst, die kaum Karriereambitionen haben.
Dieses Ergebnis ist beschämend und es soll uns zu denken geben. Mich erinnert der Befund etwas an die Schweizer Hausfrauen in den siebziger bis neunziger Jahren, die stolz darauf waren, dass sie von Hand abwuschen und keine Abwaschmaschine hatten, denn Abwaschmaschinen galten als unnötig emanzipierend. Ihr schierer Gebrauch kränkte die Schweizer Hausfrauenehre.
Mit ihrem empirisch abgesicherten Befund verweisen die beiden gestandenen Feministinnen und Gleichstellungsspezialistinnen auf ein unangenehmes Problem: Nämlich darauf, dass die Studentinnen gar nicht diskriminiert werden, sondern ihre Randstellung sehr stark einer eigenen Wahl entspricht.
Frauen in Männerfächern haben mehr Ambitionen
Interessanterweise gilt der Befund von Osterloh und Rost nicht unbedingt für die männerdominierten Fächer. Dort machen Frauen vergleichsweise häufiger Karriere. Es scheint also so, als ob die Weichen für die Geschlechterrollen bereits bei der Fächerwahl gestellt werden.
Verzerrung der Sonntagszeitung?
Inzwischen laufen die Drähte in den sozialen Medien heiss. Haben die Autorinnen methodisch geschummelt? Wurden da Äpfel mit Birnen verglichen, wurden die Ergebnisse der Studie von den Journalisten böswillig verzerrt, wurde gar ein Backlash herbeigeschrieben, wo es keinen gibt?
Die Antworten sind einmal mehr komplexer als man denkt: Der Fakt, dass Frauen eher Karriere machen in Männerfächern als in Frauenfächern ist doch einigermassen überraschend, glaubten wir doch, dass in weiblich konnotierten Studienfächern egalitärer gedacht und gehandelt wird.
Wollt Ihr oder wollt ihr nicht?
Die Ergebnisse der Studie von Osterloh und Rost laufen dermassen diametral zur Doktrin über die Diskriminierung von Frauen und zur aktuellen Gleichstellungspolitik, dass mit heftigen Reaktionen auf die Studie zu rechnen war. Ein Vorgeschmack ist die etwas säuerliche schriftliche Stellungnahme der Direktorin des Eidgenössischen Büros für Frau und Mann, die offenbar darum fürchtet, dass nach dieser Studie der Verfassungsauftrag für die Gleichstellung von Mann und Frau in Frage gestellt wird.
Nach über hundert Jahren Gleichstellungsbemühungen und Ausbau der Bildungsmöglichkeiten für Frauen bis zur selbstverständlichen beruflichen Gleichstellung müssen sich Frauen die Frage gefallen lassen, ob sie wirklich weiterhin an diesem traditionellen Rollenbild festalten wollen.
Ich freue mich auf die durch die beiden angestossene Diskussion. Wir müssen offen und selbstkritisch darüber reden, wo es Diskiminierung gibt, wo es um selbstgewählte Rollenmodelle geht, und wo es Zeit wäre, dass endlich alte Zöpfe abgeschnitten werden. Solche Diskussionen sind unangenehm und enttäuschend für viele, aber sie klären auch Missverständnisse und räumen mit Irrtümern auf. Das sind gute Voraussetzungen für den Fortschritt.
Es ist ein Rollenwechsel, wenn Frauen nicht immer und überall Opfer von Diskriminierung sind, es kann aber auch eine Befreiung sein.
Hier ein Artikel zum Thema von Markus Theunert von Männer.ch: