Mädchen beim Stadtzürcher Laufwettbewerb, "dä schnällscht Zürihegel" 1968 Comet 1968, ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
Mädchen beim Stadtzürcher Laufwettbewerb, "dä schnällscht Zürihegel" 1968

Frauensport: Aufbruch mit Hindernissen

Bei uns wird der Frauensport immer beliebter und alte Vorurteile werden ausgeräumt. Leider ist das nicht überall so.

Was haben die Taliban und der griechische Dramatiker Euripides gemeinsam? Beide finden sporttreibende Frauen äusserst «unsittlich»: Laut einem hochrangigen Taliban-Sprecher besteht im Sport die Gefahr, dass Frauenkörper «entblösst» werden“, titelt SRF. Deswegen wurde Anfang 2023 den afghanischen Frauen die Ausübung jeglicher Sportart verboten. Dieselbe Problematik wird im antiken Griechenland angesprochen, so zum Beispiel in einem Theaterstück von Euripides. Die Athener verstehen nicht, wieso Spartanische Mädchen „mit nackten Schenkeln“ skandalös durch die Gegend rennen. Die sporttreibende Frau scheint zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Kulturen ein rotes Tuch zu sein.

Ein Problem ist also die fehlende «Sittlichkeit». Auch die Schweiz hat eine turbulente Vergangenheit in Bezug auf den Frauensport. Die Gründe gegen sporttreibende Frauen waren vielfältig: Im 19. und 20. Jahrhundert drehte sich die Frauensport-Debatte in der Schweiz um die Gesundheit der Frau. Frauen wurden von sportlichen Wettkämpfen abgehalten, da ihre Gebärfähigkeit in Gefahr schien. Statt Athletinnen, die halbe Männer seien, sollten Frauen ihre Mutterrolle wahrnehmen und ihre «weibliche Anmut» nicht verlieren. Des weiteren wurden Bilder von angestrengten Sportlerinnen beim Wettkampf als unästhetisch kritisiert. Nichtsdestotrotz bildeten sich in den 1920er Jahren zahlreiche Frauensportvereine – wenn auch teils deswegen, weil die Frauen aus den Männersportvereinen ausgeschlossen wurden.

In heutiger Zeit wird anderes am Frauensport bemängelt: Frauen seien langsamer und schwächer als die Männer und es sei schlichtweg weniger spannend, ihnen beim Sport zuzuschauen. Der kommerzielle Erfolg einer Sportart hängt aber unter anderem mit den Werbeeinnahmen und den Übertragungsrechten zusammen. Weniger Zuschauer am Fernseher bedeutet weniger Einnahmen und somit auch eine geringere Förderung des Sports. Dass die Zuschauerzahlen bei einem Frauenfussballspiel in der Regel viel niedriger sind, als wenn Männer spielen, ist bekannt. Dass die Professionalisierung des Frauenfussballs erst viel später begann, wird oft vergessen. Die erste Schweizer Damen-Fussball-Liga wurde 1970 gegründet. Die Männer machten ihre ersten Erfahrungen an der inoffiziellen Schweizer Fussballmeisterschaft 1897/98.

Nichtsdestotrotz ist der Frauensport gerade in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus gerückt: Immer häufiger kann man Übertragungen verschiedenster Frauenwettkämpfe auf Social Media und am Fernseher verfolgen. Blogbeiträge sprechen vom «Frauensport auf der Überholspur» und der Professionalisierung vieler Frauen-Kader in sämtlichen Sportarten auf der ganzen Welt. Frauensport hat in der Vergangenheit die Gemüter bewegt und ist vor allem heute mehr denn je ein Thema, gerade weil sich der ständige Vergleich mit den Männern erschöpft. Frauen sind in der westlichen Welt ein selbstverständlicherer Teil der Sportwelt geworden und dies nicht nur als Zuschauerinnen. Dank vieler mutiger, passionierter und innovativer Frauen und Männer wird der Sport stetig ein reicher und vielfältiger. Wenn ich den Frauensport mit einem Wort fassen müsste, würde ich wohl «Aufbruchstimmung» wählen.

Flavia Müller ist angehende Germanistin und Historikerin