Minirock 1967 Creative Common
Minirock 1967

Der Minirock

Objekt der männlichen Fantasie oder Symbol der Emanzipation? Weshalb das brisante Kleidungsstück für die Frage der Geschlechtergerechtigkeit wichtig war.

Die Einführung des Minirocks im Jahre 1962 erschütterte die Welt. Nicht nur die Mode, sondern auch die Grundfesten der Gesellschaft wurden mit diesem Kleidungsstück komplett auf den Kopf gestellt. Lange Zeit verpönt, waren Beinfreiheit und entblösste Knie auf einmal voll im Trend. Der Minirock war der Startschuss zu einem neuen Kapitel in der Geschichte der weiblichen Emanzipation.

Erst nach dem ersten Weltkrieg wurden die Röcke so kurz getragen, dass man darunter die ersten Unterschenkel zu sehen bekam. Obwohl auch diese Verkürzung der Frauenröcke bereits zu heftigen Diskussionen geführt hatte, wurden kürzere Röcke toleriert, solange der Stoff bis über die Knie reichte.

Als die britische Designerin Mary Quant 1955 mutig die Schere an den Saum setzte und die erste Mini-Kollektion entwarf, zeigte sich, dass die Welt sehr stark auf jeden Zentimeter reagierte, den sie wegschnitt.

Mit einem Minirock kann man einfacher auf den Bus rennen.

Mary Quant

Die britische Designerin argumentierte, dass es ihr vorallem um den praktischen Aspekt ging; sie wollte den Rock oberhalb der Knie enden lassen, weil es so einfacher und angenehmer war, auf den Bus zu rennen. Sie machte kurzen Prozess und überschritt die kritische Marke um 10 Zentimeter. Es dauerte nicht lange, bis ihre Röcke weithin, ja global für Furore sorgten.

Es war zwar schon vorher von einigen Frauen an den Röcken herumgesäbelt worden, um mehr Beinfreiheit zu erhalten, aber erst in den wilden 60ern erreichte der Mini die breite Masse. Der Minirock wurde zum Symbol für körperliche, geistige und sexuelle Freiheit.

Mary Quant war die Erfinderin des Minirocks

Quant gelang es, das Kleidungsstück zum Conversation Piece zu machen, das für ausgiebigen Generationenzoff sorgte. In den 1960er Jahren kämpften auch immer mehr Frauen gegen die konservativen Werte. Vielerorts war die Pille bereits erhältlich, damit erhielt auch der Wunsch, die eigene Sexualität auszuleben, neuen Schub.

Immer mehr junge Frauen wollten sich ihr Dasein und somit auch ihre Garderobe nicht mehr von Gesellschaftszwängen diktieren lassen. Ihre Kleider sollten sie nicht länger zurückhalten. Wie bei den Hosen, wurde die Mode auch hier zum politischen Instrument der Frauenbewegung. Der Minirock bedeutete Aufbegehren, Trotz, Provokation, und er sagte aus, dass Frauen trugen, was immer sie wollten.

Mit dem Minirock wurden Grenzen überschritten. Er erlaubte Selbstbefreiung in mehreren Aspekten, leibliche wie mentale, auch der Akt des Anziehens oder Ausziehens selbst war schon befreiend, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Einen ähnlichen Effekt hatte davor auch das Ablegen des Korsetts erzielt: buchstäblich aus einer Zwangslage ausgebrochen, besassen die Frauen endlich die Möglichkeit, gewisse Aktivitäten auszuüben und ihre Körperlichkeit bewusster einzusetzen.

Kurz nachdem der Minirock zum ersten Mal in der britischen Vogue aufgetaucht war , wurde er vielerorts in Europa verboten, was allerdings die Attraktivität dieses Kleidungsstück noch steigerte. In der Schweiz vermochte der Minirock auch noch im „Revoltenjahr“ 1968, als das It-Piece den Höhepunkt seiner Popularität erreichte, einen handfesten Skandal auszulösen, wie der Fall Rosemarie aus dem aargauischen Baldingen mit Schauplatz Restaurant Rose zeigt. Die Kellnerin mit dem ultrakurzen Minirock erhitzte dermassen die Gemüter des Dorfes, dass erboste Gäste und Nachbarn die sofortige Schliesssung der Beiz verlangten. Doch ging die Aufmüpfige in dieser Geschichte letztendlich als Siegerin hervor.

Kleidung macht nicht nur Leute, Kleidung macht auch Frauen.

Milosava Malinic

Heute ist es nicht mehr vorstellbar, dass ein Fetzen Stoff die Macht besitzt, zur Schliessung eines Restaurants zu führen. Der Minirock wurde aus einem unbedingten Freiheitsstreben heraus geboren und das ist es auch, was er in erster Linie transportiert: Es geht nicht (nur) darum, sich sexy anzuziehen, es geht vor allem darum, die Freiheit, das Recht und die Wahl zu haben, sich sexy anzuziehen, sich letztendlich also so zu kleiden, wie man möchte. Der Minirock war Freiheitswunsch und Freiheitsermöglichung in einem und ungeachtet wie ordinär er manchen erschien, entwickelte er sich rasch zu einer gefährlichen, wirkungsvollen Waffe der weiblichen Emanzipation. Kleidung ist nie bloss Kleidung, und Kleidung macht nicht nur Leute, Kleidung macht auch Frauen.

Milosava Malinic ist Historikerin