Göttliche Ordnung (Making of mit Marie Leuenberger) @filmcoopi
Göttliche Ordnung (Making of mit Marie Leuenberger)

Das Kopftuch

Noch Anfangs der 70er Jahre trugen viele Schweizer Frauen Kopftuch. Warum es heute noch politisch ist, wenn Frauen Haare zeigen.

Die oben abgebildete Szene stammt aus dem Film «Die göttliche Ordnung», es ist einer meiner Lieblingsfilme. Nicht nur weil es darin um das Frauenstimmrecht geht, sondern weil die Requisiten des Filmes einfach grossartig sind. Die Frauen vom Land trugen noch Anfangs der 70er Jahre selbstverständlich ein Kopftuch, wenn sie aus dem Haus gingen. So war es auch folgerichtig, dass sie mit Kopfbedeckung nach Zürich gingen an die Demonstration. Das Bild wie sie nebeneinander mit Kopftuch und Hut auf der Brücke stehen und den Demonstrationszug an sich vorbeiziehen lassen, unschlüssig, ob sie gleich wieder heimfahren sollen, oder mitlaufen, gehört zu den unvergesslichen Szenen des Filmes.

Sie geben sich einen Ruck und laufen mit, damit fällt auch die Kopfbedeckung. Die Hauptdarstellerin lässt sich kurz darauf ihre Haare neu schneiden, um damit selbstbewusster auszusehen.

Iran: Frauen wehren sich gegen den Verschleierungszwang und Männer unterstützen sie

Als ich in den vergangenen Tagen die Bilder aus dem Iran gesehen habe, ist mir diese Szene wieder in den Sinn gekommen. Der Aufstand in Iran wurde ausgelöst durch den Tod einer jungen Frau, die festgenommen worden war, weil ihre Verschleierung als nicht ordnungsgemäss wahrgenommen wurde. Sie wurde dafür zu Tode geprügelt. Was seither geschieht, ist erstaunlich, denn der Iran wird seit 1979 durch ein rigides geistliches Regime regiert, das streng darauf achtet, dass alle Frauen in der Öffentlichkeit verschleiert sind. Versuche von Frauen, die freiheitsbeschränkenden Vorschriften zu umgehen, wurden streng geahndet. Widerstand dagegen erschien bisher zwecklos, sogar unsere Bundesrätin Micheline Calmy Rey sah sich vor einigen Jahren genötigt, eine Art Kopftuch zu tragen bei ihrem Besuch im Iran.

Und plötzlich ist alles anders. Die jungen Menschen erheben sich, sie gehen auf die Strasse. Auf den sozialen Medien kursieren Filme von Frauen, die ihre Verschleierung verbrennen und von Männern, die sie anfeuern und unterstützen. Der Kampf der jungen, gut ausgebildeten Frauen um mehr Freiheit sprang auch auf viele junge Männer über, dadurch wurde er für das Regime erst richtig gefährlich. Es gelingt dem Polizeiapparat nicht, die Aufständischen in den Griff zu bekommen, sie werden immer mehr. Einige Frauen schneiden sich vor laufender Handykamera Haarstränen ab, als Zeichen dafür, dass sie endlich selbstbestimmt leben wollen. Vielleicht erkennen die Menschen im Iran gerade, dass die Unterdrückung von Frauen, immer auch dem ganzen Volk gilt und dass wirkliche Freiheit nur um den Preis der Freiheit für beide Geschlechter zu haben ist.