Wo klemmt es?
Wie immer lohnt es sich, etwas näher hinzuschauen, um zu verstehen, was da los ist.
Unsere Altersvorsorge ist nicht nur sehr teuer, sie wird sogar immer teurer, zum Beispiel, weil die arbeitende Bevölkerung im Verhältnis zu den Rentnerinnen und Rentnern schrumpft und wir immer älter werden.
1948 lebten die Leute im Schnitt nach der Pensionierung mit 65 noch 13 Jahre. Heute sind es 22 Jahre. Gleichzeitig ist aber der Anteil derjenigen, welche die laufenden Renten im Umlageverfahren der AHV zahlen, also aktive Berufstätige, im Vergleich zu den AHV-Rentnern gesunken (von ca. 6.5 Aktiven pro Pensionierte im Jahr 1948 auf mittlerweile 2.5 Aktive pro Pensionierte).
In der zweiten Säule, die ja eigentlich ein individuelles Sparguthaben darstellt und nicht eine Versicherung wie die AHV, werden heute Renten finanziert, die durch die hohen Umwandlungssätze eigentlich nicht mehr finanzierbar wären. Das heisst konkret: Was die Leute angespart haben, reicht eigentlich für eine Rente in der vorgesehenen Höhe gar nicht so lange, wie die Menschen leben. Wir leben immer länger, arbeiten aber nicht länger. Dadurch entsteht ein Missverhältnis, weil wir unser System der Altersvorsorge den neuen Umständen nicht angepasst haben.
Bei den Reformvorschlägen für AHV und BVG, die in der Wintersession 2021 im Parlament behandelt werden, geht es in erster Linie darum, die Finanzierungsperspektiven der ersten und der zweiten Säule zu verbessern und diejenigen finanziell zu entschädigen, die bereits in naher Zukunft von den Änderungen betroffen sind. Denn viele konnten diese Reformen in ihrer Altersvorsorge noch nicht einplanen. Zusätzlich sollen aber auch die Zukunftsperspektiven von Leuten mit tieferem Einkommen nachhaltig verbessert werden.
Höhere Beiträge und Mehrwertsteuer anzapfen?
Um die Finanzierungsprobleme der Vorsorgewerke in den Griff zu bekommen, kann man die Zahl der Zahlenden erhöhen, die Beiträge erhöhen oder die Leute länger beitragen lassen. Auch kann man neue Finanzierungsquellen suchen, z.B. konsumabhängige Quellen, wie Mehrwertsteuerbeiträge. Der aktuelle Vorschlag im Parlament sieht eine Verlängerung der Beitragsjahre vor, dies durch eine Angleichung des Referenzalters der Frauen auf 65 Jahre. Hier sind also Frauen direkt betroffen. Auch soll es einen erhöhten Mehrwertsteuerbeitrag geben, und einige Parteien wollen sogar Gelder der Nationalbank für die AHV verwenden. Beim BVG soll eine Senkung des Umwandlungssatzes, also der Höhe der lebenslangen Rente, die finanziellen Probleme mindern.
Abfederung
Im aktuellen Vorschlag im Nationalrat sollen sowohl die Pensionskassen als auch die AHV die Auswirkungen der neuen Regelungen für die in naher Zukunft Pensionierten aus eigener Kraft abfedern. Allerdings sind sich die Parteien noch nicht einig, wie hoch und wie lange die Abfederung ausfallen soll.
Das Problem von Menschen mit tiefem Einkommen hingegen stellt sich nur im BVG, weil die Pensionskassen ja nach dem Prinzip Sparschwein funktionieren. Früher wurde das Rentensparen in der Pensionskasse sogar noch mit einem Zins als «Göttibatzen» ergänzt, heute gibt es keinen Zins mehr.
Der aktuelle Reformvorschlag sieht eine Verbesserung der Vorsorge für tiefe Einkommen im BVG vor. Neu sollen auch tiefere Löhne versichert werden können, damit sich auch Geringverdienende ein Altersguthaben ansparen können. Diese neue Regelung betrifft viele Frauen, die in der Schweiz in der Regel nach der Geburt eines Kindes ihr Arbeitspensum reduzieren. Weniger erwerbstätig sein heisst auch, im Alter weniger Geld haben! Ist das mit «Rentenklau» gemeint?